26. November 2019 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Sängerin und Autorin Deborah Rosenkranz besucht im Rahmen der Initiative „Anstoß für ein neues Leben“ der Sepp-Herberger-Stiftung die weiblichen Gefangenen der JVA Köln und erreicht die inhaftierten Frauen mit ihrer Botschaft, dass in den dunkelsten Momenten die Kraft für einen Neuanfang stecken kann.
In den letzten Sekunden auf der Bühne gibt Deborah Rosenkranz ihren Zuhörerinnen eine Botschaft mit, die keinen Spielraum für Interpretationen lässt. „You are a winner“ schallt es gleich mehrfach durch den Kinosaal der JVA Köln. Es sind Worte, die den Frauen auf den Sitzreihen vor ihr ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Und das, obwohl deren Alltag in der Haftanstalt, zwischen Mauern, vergitterten Fenstern und Stacheldraht, sich in den seltensten Momenten wie der einer Siegerin anfühlen dürfte. „Ihr Auftritt war bewegend und macht mir Hoffnung“, sagt Maike. Die 38-Jährige, die eigentlich anders heißt, verbüßt in Ossendorf ihre dreijährige Haftstrafe. „Vielleicht komme ich früher raus“, sagt sie. Doch diese Überlegung meint sie nicht, als sie nach dem Auftritt der Sängerin und Autorin von frischer Hoffnung spricht. Maike geht es vielmehr um den Glauben, ihrem Leben eine positive Wendung geben zu können. Sich wieder als „Winner“, also als Gewinnerin, fühlen zu können, obwohl es für sie in den vergangenen Jahren alles andere als rund lief.
„Das genau ist der springende Punkt“, sagt Rosenkranz, „egal, was vorher war, jeder hat die Chance, auch am tiefsten Punkt wieder aufzustehen und aus seinem Leben etwas zu machen.“ Dafür brauche es Ehrlichkeit, Mut und einen starken Willen. „Man sollte die Erwartungen an sich selbst aber nicht zu hoch stecken, sondern sich kleine Schritte vornehmen“, sagt sie.
Die 36-Jährige weiß nur allzu gut, wovon sie spricht. Als Jugendliche erlebte sie Zeiten, die man niemandem wünscht. „Ich war magersüchtig und wäre beinahe daran gestorben“, erklärt sie. Rosenkranz schildert diese dunklen Momente ihres Lebens drastisch, deutlich, klar. Doch sie erzählt auch von ihrem weiteren Weg, der sie zu einer erfolgreichen Autorin und einer Sängerin, die mit Weltstar Beyoncé auf Tour war, werden ließ. Sie erläutert, dass sie nun die Möglichkeit hat, sich für eine Einrichtung für Mädchen mit Essstörungen zu engagieren. Rosenkranz erreicht ihre Zuhörerinnen. Es dauert nicht lange, da rinnen erste Tränen über die Wangen der Häftlinge.
„Mir gehen ihre Schilderungen sehr nahe, denn mir ging es einmal ähnlich. Sie ist absolut authentisch“, meint Sarah, eine andere der rund 60 Strafgefangenen, die an diesem Nachmittag zu der von der Sepp-Herberger-Stiftung im Rahmen der Initiative „Anstoß für ein neues Leben“ auf die Beine gestellten Veranstaltung „Music & Message“ gekommen sind.
Bewegende Momente
„Die Frauen haben sich bewusst um die Teilnahme bemüht“, erklärt Frank Prösdorf, der in der JVA als Sport- und Freizeitkoordinator tätig ist. Für die meisten sei der Nachmittag in erster Linie eine willkommene Abwechslung vom Alltag auf der Zelle, sagt er. Aber die Schilderungen und Lieder des Gastes hätten die Frauen offenbar bewegt. „Und mich auch, obwohl ich ein Mann bin“, so Prösdorf.
Das bestätigt auch Marc, der wegen Körperverletzung einsitzt, und seit einiger Zeit mit vier weiteren Häftlingen Auftritte namhafter Künstler hinter Gittern begleitet. Marc kümmert sich um den Ton, „weil man dann für einige Stunden mal auf andere Gedanken kommt und sich beinahe frei fühlt“, sagt er. Unlängst war Sänger Giovanni Zarella da, bald kommt Comedian Oliver Pocher und in einigen Wochen werden die Bläck Fööss als Highlight der jährlichen Karnevalsveranstaltung in der JVA in Ossendorf sein.
So schön das klingt, die Auftritte sind nicht mehr als eine kurzzeitige Abwechslung vom tristen Alltag innerhalb der Mauern, der in den 1960er-Jahren erbauten Justizvollzugseinrichtung, die über 1.075 Haftplätze für Männer und Frauen verfügt. Eine andere Abwechslung ermöglicht die Initiative „Anstoß für ein neues Leben“ der Sepp-Herberger-Stiftung und der Bundesagentur für Arbeit einigen 21- bis 27-Jährigen weiblichen Gefangenen in Köln. Auch um dieses Projekt kümmert sich Prösdorf. Straftäterinnen soll so noch während der Inhaftierung eine Perspektive für die Zeit nach der Entlassung eröffnet werden. Doch für alle Bemühungen um einen Neuanfang braucht es Impulse. Momente, die die Häftlinge emotional packen, ihnen Kraft und Rückenwind für den zweifellos nicht immer leichten Start in ein anderes Leben geben.
Deshalb ist Deborah Rosenkranz nach Ossendorf gekommen. Dafür hat sie gesungen und gesprochen. Sie will Mut machen, Energie und ein starkes Selbstwertgefühl geben. Dass noch einmal einige Tränen verdrückt werden, als sie zum Abschied allen Teilnehmerinnen ihr Buch „Stärker denn je: Wie dein verletztes Herz heilen kann“ überreicht, ist der beste Beleg für den Erfolg ihrer Mission. Tiefe Gefühle und ein intensives Nachdenken sind schließlich der Ausgangspunkt für Veränderung. Und nicht weniger wünschen sich die Frauen in der JVA Köln.