Sport, Gespräche, Entspannung: 28 Menschen mit Schädelhirnverletzungen beim Fußballwochenende in Duisburg
04. September 2019 Zurück zur Artikelübersicht »

Spaß und Lebensfreude beim Fußball-Erlebniswochenende in Duisburg

Sie haben zusammen Fußball gespielt, sie haben in Gesprächsrunden über ihre Alltagssorgen diskutiert, sie haben sich beim Tai Chi Chuan entspannt. In der Sportschule Duisburg haben sich drei Tage lang 28 Menschen mit Schädelhirnverletzung getroffen, um andere Betroffene kennen zu lernen und sich gemeinsam aktiv zu betätigen. Organisiert wurde die Veranstaltung durch die DFB-Stiftung Sepp Herberger und die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung über ihre gemeinnützige Akademie.

„Mit dieser Veranstaltung geben wir Sportbegeisterten die Möglichkeit, ihrer Leidenschaft nachzugehen – trotz Beeinträchtigung“, sagt Helga Lüngen, Geschäftsführerin der Hannelore-Kohl-Stiftung. „Der Sport ist ein wichtiger Ausgleich zum Alltagsleben. Er fördert das Wohlbefinden und die soziale Teilhabe. Bei Mannschaftssportarten wie dem Fußball ist man Teil eines Teams. Und wer im Verein aktiv ist, ist auch Teil einer Gemeinschaft. Der Fußball zählt auch bei Menschen mit einem Handicap zu den populärsten Sportarten.“

Engagiert für Menschen mit Handicap: FVN-Inklusionsbeauftragter Axel Müller

Spaß, Teamgeist und Fairplay im Mittelpunkt

In der Sportschule Wedau fanden die Teilnehmer perfekte Trainingsbedingungen vor. Im Mittelpunkt des Fußballtrainings stand nicht der Leistungsgedanke, sondern Spaß, Teamgeist und Fairplay. Beim Tai Chi Chuan ging es darum, dass Körper, Geist und Seele in Einklang gebracht werden können. Und neben den vielfältigen sportlichen Aktivitäten erhielten die Teilnehmenden in Gesprächsrunden Hilfe und Unterstützung. Geleitet wurden diese von Markus Frechen, Diplom-Psychologe der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung. Darüber hinaus blieb natürlich auch genügend Zeit, um neue soziale Kontakte zu knüpfen.

„Die Sepp-Herberger-Stiftung ist gerne Teil dieser tollen Veranstaltung. Für diesen Zweck stellen wir selbstverständlich Experten aus unserem Netzwerk zur Verfügung – zum Beispiel qualifizierte Fußballtrainer“, sagt Tobias Wrzesinski, Geschäftsführer der DFB-Stiftung Sepp Herberger. „Inklusive und integrative Maßnahmen sind eines der Fundamente unserer Arbeit. Sepp Herberger war es schon zu Lebzeiten ein wichtiges Anliegen, die integrative Kraft des Sports und des Fußballs im Speziellen für die Gesellschaft zu nutzen – gerade im Behindertenfußball lebt diese Idee weiter und wir setzen gemeinsam mit den Inklusionsbeauftragten in den DFB-Landesverbänden darauf, noch mehr Menschen mit Handicap in die Fußballfamilie zu integrieren.“

Gemeinsam in Duisburg dabei: Jannik Schewes und sein Vater Hubert.

Jannik Schewes mit beeindruckenden Fortschritten

Unter den 28 Teilnehmenden war auch Jannik Schewes. Zusammen mit seinem Vater Hubert war er nach Duisburg gekommen. Der 23-Jährige wird schon lange durch die DFB-Stiftung Sepp Herberger unterstützt. Schewes wurde vor elf Jahren von einem PKW erfasst und schwer verletzt. Er war mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Kirche, wo er sich als Messdiener engagierte. Schewes war begeisterter und guter Fußballer. Seinen Eltern lagen bereits erste Anfragen von Profivereinen aus der Region vor.

Der schreckliche Unfall hat alles verändert. Obwohl Schewes einen Helm trug, erlitt er schwerste Schädelhirnverletzungen. Er lag über vier Wochen im Koma. Seine Eltern bangten um sein Leben. Doch Schewes wachte wieder auf und kämpft sich zurück. Die Ärzte sind begeistert über seine Fortschritte. Er lernt wieder zu sprechen, er macht mit dem Rollator erste eigenständige Schritte. Es ist ein langer Weg, den er vor sich hat. Aber es wird immer besser. Seine sehr positive Lebenseinstellung ist dabei vorbildlich.

„Ich frage mich nicht, warum mir das damals passiert ist“, sagt er. „Ich nehme die Situation an, wie sie ist und versuche, das Beste daraus zu machen. Mein ganz großes Ziel ist es, mich wieder ohne Rollstuhl und irgendwann auch ohne Rollator fortbewegen zu können.“ Aufgrund der Entwicklung, die er schon jetzt gemacht hat, sind seine Ärzte zuversichtlich, dass das irgendwann tatsächlich funktionieren kann. Der Fußball ist Schewes auf seinem mühsamen Weg zurück eine große Hilfe. Er liebt diesen Sport.

Bundesliga-Handballerin musste wegen Kopfverletzungen Karriere beenden

Das Wochenende für Menschen mit Schädelhirnverletzung in Duisburg war nicht nur speziell auf Fußballerinnen und Fußballer ausgerichtet. Auch Pauline Radke war dabei. Die 33-Jährige hat sechs Jahre lang das Tor der Handballerinnen der HSG Bensheim/Auerbach gehütet, unter anderem in der Bundesliga. In dieser Zeit hat sie mehrfach leichtere und schwere Gehirnerschütterungen erlitten. Unter den Nachwirkungen leidet sie noch heute. Sie musste kürzlich ihre Karriere wegen der vielen vorangegangenen und nicht auskurierten Kopftreffer und Gehirnerschütterungen im Sport beenden.

„Mir war oft schwindelig, ich hatte Panikattacken und ähnliche Symptome wie bei einer Depression. Leider sind meine Probleme lange nicht ernst genommen worden und ich leide teilweise noch heute darunter“, sagt Radke. „Ein Sehtest hat dann Gewissheit gebracht und bestätigt, dass das Folgen der Gehirnerschütterungen sind. Bei mir ist daraufhin ein sogenanntes postkommotionelles Syndrom diagnostiziert worden. Mir ist es wichtig, dass Gehirnerschütterungen nicht als Kleinigkeit abgetan, sondern als ernsthafte Verletzung anerkannt werden – mit teilweise sehr unangenehmen Folgen.“

In einer Sache waren sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach den drei Tagen in der Sportschule Wedau einig: Dieses Seminar mit Gleichgesinnten hat ihnen sehr geholfen, um trotz aller großen und kleinen Probleme positiv in die Zukunft schauen zu können.