02. September 2019 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Der frühere Bundesliga-Trainer Dragoslav Stepanović ist für seine Aussage „Lebbe geht weiter“ bekannt geworden. Für die Sepp-Herberger-Stiftung hat der 71-Jährige am Wochenende die JVA Limburg besucht. Bereits im Dezember 2018 war er für Deutschlands älteste Fußballstiftung in einer Haftanstalt zu Gast. Sein Lebensmotto war bei beiden Terminen ein wichtiges Thema.
Herr Stepanović, Ende 2018 haben Sie die JVA Rockenberg besucht. Mit welchen Eindrücken sind Sie anschließend nach Hause gefahren?
Stepanović: „Mit sehr gemischten Gefühlen. Ich war schon einige Mal in einer Justizvollzugsanstalt. Logischerweise ist die Atmosphäre dort einerseits immer sehr bedrückend. Andererseits aber habe ich auch wieder erleben können, welche besondere Rolle der Fußball auch im Leben der Häftlinge dort einnimmt.“
Sie waren als prominenter Gast anlässlich eines Fußballturniers dort …
Stepanović: „… das übrigens die JVA-Mannschaft gewinnen konnte. Gegen Teams außerhalb des Strafvollzugs. Wer nicht dabei war, kann sich kaum vorstellen, wie groß die Freude bei den Häftlingen hinterher war. Und vor allem auch, wie stolz sie waren. Ich bin mir sicher, dass dieser Erfolg ein wichtiger Puzzlestein auf ihrem Weg zurück in die Normalität sein wird.“
Warum ist das so?
Stepanović: „Über die soziale Kraft des Fußballs müssen wir nicht groß reden. Das ist schon häufig thematisiert worden. Und auch während meiner eigenen Karriere als Spieler habe ich das immer wieder erlebt. Die Menschen, die in der JVA leben, haben schlimme Dinge hinter sich – manchmal selbst verschuldet, manchmal unverschuldet. Teilweise sind sie in einem Teufelskreis gefangen, aus dem sie nur schwer wieder rauskommen.“
Was meinen Sie damit konkret?
Stepanović: „Im Optimalfall nutzen die Häftlinge ihre Zeit im Gefängnis, um ihr Leben neu zu sortieren und aus ihren Fehlern zu lernen. Im schlechtesten Fall kehren sie mit den guten Vorsätzen in ihr altes Umfeld zurück und rutschen direkt wieder in die Kriminalität ab. Das darf nicht passieren. Der Fußball kann in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle einnehmen. Er kann der Weg aus dem Teufelskreis sein.“
Und wie?
Stepanović: „Meine Empfehlung: Wer aus dem Gefängnis kommt, sollte ganz neu starten. In einem neuen Umfeld. Beim Einleben dort kann es sehr sinnvoll sein, sich einem Team anzuschließen, zum Beispiel einer Fußballmannschaft. Der Häftling kann sich dort zum Beispiel einen neuen Freundeskreis aufbauen. Außerdem lernt er, sich in einer Gruppe richtig zu verhalten, Autoritäten anzuerkennen, auf Ungerechtigkeit nicht mit Gewalt zu reagieren, Ehrgeiz zu entwickeln und zuverlässig zu sein. Ich könnte noch viel mehr Dinge nennen. Auf jeden Fall kann er auf diesem Weg das Leben wieder lebenswert machen.“
Um Sie also selbst zu zitieren: „Lebbe geht weiter“?
Stepanović: „Ja, das Leben muss weitergehen. Diese Aussage begleitet mich mittlerweile natürlich immer. Aber es ist meiner Meinung nach ein korrektes Motto, das im Kontext unseres Gesprächs definitiv gerechtfertigt ist.“