Hüter eines besonderen Erbes
29. August 2019 Zurück zur Artikelübersicht »

Manfred Schmitt pflegt seit Jahrzehnten die Grabstätte von Sepp Herberger

In Weinheim an der Bergstraße findet am Samstag das D-Junioren-Turnier um den Sepp-Herberger-Pokal statt. Bereits zum dritten Mal organisiert der Fußballkreis Mannheim diese besondere Veranstaltung, um an den legendären Bundestrainer zu erinnern. Sepp Herberger selbst lebte bis zu seinem Tod in Weinheim, wenige Kilometer von Mannheim entfernt. Auf dem Bergfriedhof im Stadtteil Hohensachsen liegt er neben seiner Frau Eva begraben. Dort in Hohensachsen halten zwei Nachbarn auf ganz unterschiedliche Weise das Andenken an Sepp Herberger hoch. Rüdiger Zerweck lebt seit mehr als 20 Jahren im einstigen Zuhause des Bundestrainers und Manfred Schmitt pflegt seit Jahrzehnten dessen Grabstätte.

Rüdiger Zerweck (l.) und Manfred Schmitt – zwei frühere Nachbarn aus Hohensachsen

Im vergangenen Jahr hat Manfred Schmitt so viel Wasser geschleppt wie selten zuvor. Der Jahrhundertsommer 2018 hat auch in Weinheim-Hohensachsen, wo die Hügel des Odenwalds in die Rheinebene übergehen, für Hitze und Trockenheit gesorgt. „Ich musste oft zum Gießen kommen“, sagt der 81-Jährige. Seit rund drei Jahrzehnten kümmert er sich um die Pflege der Grabstätte von Sepp Herberger und dessen Frau Eva. Er kommt zum Gießen, sorgt sich um Grablichter, Kränze und das Grün. „Es soll ja ordentlich aussehen“, betont er. Sein Tun hat er nie infrage gestellt, denn er fühlt sich einem besonderen Erbe verpflichtet. Der Mann, dessen letzte Ruhestätte er pflegt, war nicht nur ein großer Fußballer und Trainer der Mannschaft, die ganz Deutschland 1954 mit dem erstmaligen Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft in Euphorie und Aufbruchsstimmung versetzte, er war auch fast 25 Jahre lang sein Nachbar. Und „ein feiner Mensch“, wie Schmitt betont.

Er hat das aus nächster Nähe erfahren dürfen. Als die Herbergers Anfang der 1950er-Jahre ihr Haus am Rande der Ortschaft errichteten, war der Hang noch nahezu unbebaut. In einem der lediglich zwei Nachbarhäuser lebte Schmitt, damals ein Teenager, mit seiner Familie. Ansonsten gab es nur Gärten, Felder, Weinstöcke und ein paar Meter weiter oben den Friedhof von Hohensachsen. Der Blick ging frei bis hinunter in die Ebene. Nach Mannheim. Jener Stadt, in der Herberger geboren und zum Fußballer mit Leib und Seele geworden war.

Rüdiger Zerweck lebt seit mehr als 20 Jahren im einstigen Zuhause des Bundestrainers

Im Adlerhorst alles im Blick

Doch von seinem Domizil blickte Herberger keineswegs nur gen Großstadt und damit gewissermaßen in die eigene Vergangenheit. Der Bundestrainer gestaltete dort auch die Zukunft des deutschen Fußballs. Er tüftelte an der Zusammenstellung des Kaders und er empfing Spieler und Funktionäre. „Er nannte sein Haus sicherlich nicht umsonst Adlerhorst“, erklärt Rüdiger Zerweck, „er hatte bei seinen Planungen als Bundestrainer alles im Blick und in diesem Haus liefen die Drähte zusammen.“ Zerweck weiß so einiges über den 1977 verstorbenen Macher des Wunders von Bern. Denn er zog vor gut 20 Jahren in Herbergers einstiges Zuhause.

Da die kinderlosen Herbergers das Interieur der Sepp-Herberger-Stiftung, ihrer Alleinerbin, vermacht hatten, wurde damals vieles vom Verband gesichert, nach Frankfurt gebracht und archiviert. Einige Dinge blieben Zerweck allerdings erhalten. Das Glanzstück ist die Kellerbar, in der es so aussieht, als habe vor Jahrzehnten jemand den Pausenknopf gedrückt. Als könne der „Chef“ gleich hineinkommen, um einen seiner Helden von Bern auf ein Bier einzuladen. An den Wänden hängen unzählige Fotos und Wimpel. Licht fällt durch bunte Bleiglasfenster ein, deren Inschriften und Verzierungen die Stationen von Herbergers Karriere dokumentieren. Kein Wunder, dass der heutige Besitzer des Hauses schon viele namhafte Besucher begrüßen durfte. Ob Reinhard Grindel, Hansi Flick, Ottmar Hitzfeld, Horst Eckel, Otto Rehhagel, Uwe Seeler oder Klaus Schlappner – sie alle waren schon da und haben in Erinnerungen geschwelgt. An Steilvorlagen dazu mangelt es nicht. Über der Sitzecke hängt ein Poster, das in kyrillischer Schrift ein Länderspiel der Sowjetunion gegen Deutschland von 1955 ankündigt. Den Tresen schmücken die Wappen des DFB und von Herbergers Vereinen und hinter der Theke sind fein säuberlich Biergläser aufgereiht, die Konterfeis der Helden von Bern zeigen.

Was die Größen des deutschen Fußballs beim Anstoßen gedacht, gesagt und gefühlt haben, bleibt der Fantasie des Betrachters überlassen. Sicher ist, dass Herbergers Kellerbar ein besonderer Ort für sie war. Und dass sie besondere Gäste für den Chef waren. „Sonst hätte er sie kaum auf der Wand unterschreiben lassen“, meint Zerweck. Tatsächlich, auf weißem Putz prangen die Autogramme von Schnellinger, Rahn, Walter & Co.

Wohnsitz für jedermann zu erkennen

Sepp Herbergers Gartentor

Schmitt hatte sich irgendwann an prominente Besuche in der Nachbarschaft gewöhnt, der Bundestrainer war ein vertrautes Gesicht. „Schon mein Vater und er haben sich angefreundet. Er hat Sepp Herberger bei der Elektroinstallation geholfen und später haben meine Söhne auf Herbergers Garagentor gebolzt“, erinnert er sich. Beide genossen das entspannte Miteinander. „Herberger hat mir irgendwann einmal gesagt, dass ich ihm der Liebste bin, weil ich ihn nicht ständig mit Fragen zum Fußball löchere“, schmunzelt Schmitt.

Abgeschottet lebten die Herbergers aber nicht. Ihr Wohnsitz war für jedermann zu erkennen. Im schmiedeeisernen Gartentor sind noch heute die Initialen „SH“ zu lesen, und vor der Tür, wo noch immer Autos abgestellt werden, wies damals ein Schild auf den Privatparkplatz des Bundestrainers hin. Auf großen Luxus verzichtete Herberger allerdings. Wie in den meisten Haushalten der jungen Republik gab es 1954 noch nicht einmal einen Fernseher in seinem Haus. „Wenn wir die Spiele sehen wollten, mussten wir wie alle in eine Gaststätte gehen. Der Goldene Ochse hatte damals den einzigen Apparat des ganzen Ortes“, beschreibt Schmitt, der kaum Fotos von diesen Zeiten besitzt. Die Erinnerungen seien alle in seinem Kopf, sagt er.

Sein heutiger Nachbar Zerweck hat die Geschichten allesamt schon gehört, dennoch lauscht er aufmerksam. Man spürt, die beiden verbindet nicht nur die schöne Wohnlage mit dem Blick über die Rheinebene und den Weinbergen hinter dem Garten. Sie sind beide Hüter der Erinnerung an Sepp Herberger. Einem Mann, der mit seinen sportlichen Erfolgen und seinem sozialen Engagement ihnen und der gesamten Republik ein großes Erbe hinterlassen hat. Genau dieses Erbe wird in Hohensachsen besonders gepflegt. Von Manfred Schmitt, Rüdiger Zerweck und dem Fußballkreis Mannheim.

 

Das Turnier beginnt um 12.30 Uhr. Die Endspiele beginnen um 17.40 Uhr. Gespielt wird im Sepp-Herberger-Stadion, Breslauer Straße 44, 69469 Weinheim.

Teilnehmende Teams beim Turnier um den Sepp-Herberger-Pokal

Gruppe A Gruppe B
SV Sandhausen SV Waldhof Mannheim
TSG Weinheim SG HD-Kirchheim
Neckarsulmer SU Spvgg Neckarelz
FC Astoria Walldorf SG Sonnenhof Großasbach
Eintracht Frankfurt Ludwigshafener SC