Tandem-Ausbildung in Hennef: Gemeinsam auf dem Platz Verantwortung übernehmen
08. Mai 2019 Zurück zur Artikelübersicht »

Als der Ball endlich rollt, sind alle gleich. Es wird nicht mehr differenziert. Es wird nicht mehr unterschieden zwischen Mädchen und Jungs, zwischen behinderten und nicht-behinderten Fußballerinnen und Fußballern. Stattdessen wird gepasst, gedribbelt, geschossen. Vor allem aber wird gelacht. In der vergangenen Woche haben die DFB-Stiftung Sepp Herberger und die DFL Stiftung in der Sportschule in Hennef eine von der Scort Foundation ausgerichtete einwöchige Tandem-Ausbildung unterstützt. Das Qualifizierungsangebot verfolgt das Ziel, Jugendliche und junge Erwachsene mit und ohne Behinderung gemeinsam so auszubilden, dass sie im Handicap-Fußball als Trainer Verantwortung übernehmen können. An dem Lehrgang nahmen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Profiklubs und Amateurvereinen teil.

Die DFB-Stiftung Sepp Herberger und die DFL Stiftung unterstützen die von der Scort Foundation ausgerichtete einwöchige Tandem-Ausbildung.

Die Woche in Hennef war für alle zukünftigen Fußballtrainer ereignis- und lehrreich. In zahlreichen Theorie- und Praxiseinheiten lernten die insgesamt 13 Tandems die Grundlagen für die gemeinsame Planung und Gestaltung von Übungseinheiten im Handicap-Fußball kennen. Gemeinsam wurden sie so behutsam an die Verantwortung als Trainer herangeführt.

Förderung nach individuellen Fähigkeiten

„Die Arbeit in Kleingruppen, die direkte Anwendung des Gelernten und die Förderung nach individuellen Fähigkeiten standen in dieser Woche im Mittelpunkt der Ausbildung“, sagt Nico Kempf, Projektleiter bei der DFB-Stiftung Sepp Herberger. „Die Teilnehmer ohne Beeinträchtigung haben zudem an spezifischen Workshops teilgenommen. Darin haben die Instruktoren über verschiedene Behinderungsformen aufgeklärt und Tipps zum Umgang mit beeinträchtigten Spielerinnen und Spielern gegeben.“ Am Ende der Woche erhielten alle Teilnehmer ein Ausbildungszertifikat.

„Wir wollen gemeinsam mit der Sepp-Herberger-Stiftung flächendeckende Qualifizierungsangebote im Handicap-Fußball entwickeln“, betont Wolfgang Möbius, DFB-Teamleiter Trainer-Aus-, Fort- und Weiterbildung Landesverbände. „Dazu wollen wir den vielen ehrenamtlichen Übungsleitern im Handicap-Fußball wichtige Hilfestellungen an die Hand geben. Die Tandem-Ausbildung der Scort Foundation gibt auch beeinträchtigten Menschen die Möglichkeit, behutsam an die Aufgaben eines Fußballtrainers herangeführt zu werden. Dieses besondere Qualifizierungsangebot möchten wir auch zukünftig weiterverfolgen“, hebt Möbius hervor. „Inklusion ist vielseitig. In der Bundesliga und 2. Bundesliga findet sie nicht nur auf den Rängen der Fußballstadien statt, wo Zuschauer mit und ohne Behinderung Seite an Seite ihr Team unterstützen. Menschen mit Behinderung spielen auch selbst begeistert und begeisternd Fußball. Und einige bilden sich zum Trainer oder qualifizierten Helfer weiter. Hierbei werden sie von der DFL Stiftung unterstützt, die die Tandem Ausbildung fördert“, sagt Stefan Kiefer, Vorstandsvorsitzender der DFL Stiftung.

Das Wichtigste: der Spaß am Fußball, die Gemeinschaft sowie die Möglichkeit, die eigenen Stärken einzubringen.

Die Gemeinschaft steht im Vordergrund

Eines der Tandems bilden Dennis Kirchdörfer (22) und Andre Wesselmann (28), der eine geistige Beeinträchtigung hat. Kirchdörfer betreut die Inklusionsmannschaft der SpVg Wahn-Grengel im Fußball-Verband Mittelrhein (FVM). Wesselmann ist Spieler des Teams, soll aber nun verstärkt im Trainerstab mitarbeiten. „Andre unterstützt mich schon jetzt in vielen Punkten“, sagt Kirchdörfer. „Aber ich würde ihn gerne noch stärker einbinden. Ich bin absolut davon überzeugt, dass er das kann und dass ihm das in seiner persönlichen Entwicklung hilft.“

An diesem Mittwoch, an dem noch der Nebel über dem Kunstrasenplatz hängt, organisieren Kirchdörfer und Wesselmann gemeinsam Trainingseinheiten für die Inklusionsmannschaft des ASV Sankt Augustin und von TABALiNGO Integrativ aus Aachen, die eigens für den Tandem-Lehrgang angereist sind. Torschuss-Training steht auf dem Programm. Kirchdörfer und Wesselmann haben kleine und große Tore aufgestellt, viele farbige Hütchen ausgelegt. Ihre Trainingsgruppe ist bunt gemischt. Viele Teilnehmer haben eine Beeinträchtigung. „Auf dem Fußballplatz spielt das keine Rolle mehr“, betont Kirchdörfer. „In Inklusionsmannschaften gibt es keine Grenzen. Da kicken kleinwüchsige Menschen zusammen mit geistig Beeinträchtigten und Jugendlichen, die im Rollstuhl sitzen. Natürlich wollen sie gemeinsam auch erfolgreich sein. Aber viel wichtiger ist hier der Spaß am Fußball, die Gemeinschaft und die Möglichkeit, die eigenen Stärken einzubringen“, so Kirchdörfer weiter.

In ihrem Heimatverein im Kölner Süden haben Kirchdörfer und Wesselmann im vergangenen Sommer die Inklusionsmannschaft ins Leben gerufen. Das Team wächst und wächst. An den ersten Turnieren hat der Klub bereits teilgenommen und diese teilweise sogar gewonnen. „Die Jungs feiern dann, als hätten sie die Champions League gewonnen“, lacht Kirchdörfer.

Die Tandem-Ausbildung der Scort Foundation gibt auch beeinträchtigten Menschen die Möglichkeit, behutsam an die Aufgaben eines Fußballtrainers herangeführt zu werden.

Verein als zweite Familie

Andre Wesselmann trägt an diesem Tag stolz das gelbe Langarmtrikot der SpVg Wahn-Grengel. Er liebt den Fußball und ist begeistert, dass er zukünftig stärker in die Trainerarbeit seiner Mannschaft eingebunden werden soll: „Für mich ist der Verein wie eine zweite Familie. Wir haben einen super Zusammenhalt. Seitdem ich Teil dieses Teams bin, ist mein Freundeskreis extrem gewachsen. Wir unternehmen über den Fußball hinaus sehr viel gemeinsam.“

Und wie erleben sie die Tandem-Ausbildung? „Es bringt uns extrem viel“, erläutert Kirchdörfer. „Wir haben viele neue Inhalte gelernt, die wir in jedem Fall direkt in unseren Trainingseinheiten anwenden werden. Außerdem haben wir viele Kontakte knüpfen können.“ Viel mehr Zeit haben die beiden nicht. Sie müssen schließlich eine Trainingseinheit leiten. Und am Nachmittag steht der gemeinsame Besuch des DFB-Pokalfinals der Frauen in Köln auf dem Programm.