Eine außergewöhnliche Persönlichkeit – Meister-Trainer Ottmar Hitzfeld wird 70 Jahre alt
12. Januar 2019 Zurück zur Artikelübersicht »

Ein besonderer Mensch, ein herausragender Trainer, eine außergewöhnliche Persönlichkeit – wen man auch fragt, die Meinungen über Ottmar Hitzfeld gehen immer in die gleiche Richtung. Und heute feiert der „General“, wie ihn seine Weggefährten liebevoll nennen, seinen 70. Geburtstag. Nicht mit einer großen Party, nicht im Mittelpunkt der Gesellschaft. Das würde nicht zu ihm passen. „Ich bin sehr dankbar, dass ich meinen 70. Geburtstag heute im engsten Familienkreis, bei bester Gesundheit und Zufriedenheit feiern darf“, sagt Hitzfeld – gewohnt bescheiden, gewohnt zurückhaltend. Hitzfeld, der sich seit Oktober 2016 als Botschafter für die DFB-Stiftung Sepp Herberger engagiert, hat sich nie verändert, er ist sich immer treu geblieben – trotz aller Erfolge, die er in seiner Karriere als Fußballer und vor allem später als Trainer erreicht hat. Es gibt kaum eine Trophäe im Vereinsfußball, national wie international, die er nicht in den Händen gehalten hat. Er hat fast alles gewonnen, was man gewinnen kann.

Es würde den Rahmen sprengen, wenn man alles aufzählen müsste. Unter anderem hat er zweimal die Champions League gewonnen. 1997 mit Borussia Dortmund, als Karl-Heinz Riedle und Lars Ricken gegen Juventus Turin trafen und 2001 mit Bayern München, als Oliver Kahn im Elfmeterschießen den Versuch von Mauricio Pellegrino parierte. Dazu hat er dreimal den DFB-Pokal geholt, siebenmal die Deutsche Meisterschaft. Im Schweizer Vereinsfußball klingen seine Erfolge ähnlich. Zum Schluss seiner Karriere hat er die Schweizer-Nationalmannschaft noch auf ein neues Niveau geführt, die Nation gehört seitdem zur erweiterten Weltspitze.

Als Spieler bleibt für ihn die Teilnahme an den Olympischen-Spielen 1972 mit Deutschland in Erinnerung – auch wenn es nicht zur Medaille gereicht hat. Er hat damals bei jedem seiner fünf Startelfeinsätze für die deutsche Olympiaauswahl  in München getroffen. Später war er Teil des sogenannten 100-Tore-Sturms, der den VfB Stuttgart zurück in die Bundesliga führte. Bei einem 8:0 gegen den SSV Jahn Regensburg gelangen ihm sechs Treffer – bis jetzt ist das Rekord im deutschen Profifußball.

Hitzfeld fühlt sich verpflichtet, das Erbe Sepp Herbergers fortzusetzen

Das Leben ohne Stress genießen

Wenn man Hitzfeld heute, im Rückblick, fragt, welche Erfolge und Aspekte besonders hängen geblieben sind, dann gibt er eine Antwort, die  seinen besonderen Charakter unterstreicht. Es sind nicht die großen Triumphe, die bei ihm eine Ausnahmestellung einnehmen. Es sind nicht die Tore, die Rekorde, die Titel. Es sind die zwischenmenschlichen Dinge, die für am Wichtigsten sind und immer an erster Stelle stehen: „Für mich ist im Rückblick entscheidend, dass meine Führungsphilosophie mit meinen Werten Respekt, Offenheit, Ehrlichkeit und positivem Denken, respektiert wurde.“ Und erst danach kommen die sportlichen Erfolge: „Für mich ist natürlich jeder einzelne Titel ein besonderer.“

Nicht ohne Grund hat der Deutsche Fußball-Bund Ottmar Hitzfeld 2016 mit dem „Ehrenpreis Lebenswerk“ ausgezeichnet. Nach Dettmar Cramer, Udo Lattek, Gero Bisanz, Otto Rehhagel und Jupp Heynckes war Hitzfeld der sechste Trainer, der vom DFB für sein Lebenswerk geehrt wurde. Nach ihm kamen noch Bernd Schröder und Erich Rutemöller dazu. „Es macht mich unendlich stolz, dass ich mich in diese Liste einreihen kann. So etwas Großes zu schaffen – das hätte ich mir früher nicht träumen lassen“, erklärte Hitzfeld damals. „Für mich ist die Ehrung auch eine Zäsur. Wenn man einen Ehrenpreis für sein Lebenswerk erhält, dann ist noch greifbarer, dass die Karriere wirklich zu Ende, dass der Job endgültig abgeschlossen ist.“

Ottmar Hitzfeld hatte dann 2014 für sich selbst beschlossen, dass es reicht, dass er Schluss machen möchte, dass er seine Trainerkarriere beendet – seine letzte Amtshandlung war mal wieder eine beachtliche Leistung, ein würdiger Schlusspunkt: er hatte die Schweiz ins Achtelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft geführt. Er wusste schon vorher, dass dies genau der richtige Zeitpunkt ist. Und diese Entscheidung hat er bis heute in keinem einzigen Augenblick bereut. Er lebe jetzt “wie ein Rentner”, beschreibt Hitzfeld: “Zeitungen lesen, Brötchen kaufen, Fußball schauen.” Manchmal hält er Vorträge oder sitzt in Talks, mit Ehefrau Beatrix besucht er in München den Sohn oder fährt zum Zweitwohnsitz in die Berge, im Sommer spielt er Golf. Zwischendurch ploppen Gerüchte auf. Zuletzt an diesem Donnerstag, dass die Chinesen ihn verpflichten wollen. Als Gehalt sollen ihm 25 Millionen Euro, für anderthalb Jahre geboten worden sein. Aber Hitzfeld besprach  das mit seiner Familie und hat daraufhin freundlich, aber entschieden abgelehnt. Ende heißt für ihn Ende. Geld regiert bei ihm nicht mehr die Welt. Er genießt jetzt seine Ruhe, er hatte genug Stress in seinem Leben.

Aber ganz ohne Fußball geht es eben auch nicht. Wer einmal mit Leidenschaft dabei war, kommt davon nicht mehr los. Natürlich verfolgt Hitzfeld weiterhin ganz genau, was vor allem die Fußballvereine Borussia Dortmund und Bayern München machen. Er beobachtet das aus der Entfernung, mit Abstand, aus der passiven Rolle. Er braucht das nicht mehr, die tägliche Arbeit auf dem Trainingsplatz, die Spiele am Wochenende, alles immer im gnadenlosen Scheinwerfer der Öffentlichkeit. Damit hat er abgeschlossen. Den Traineralltag vermisse er keineswegs, betont er: “Mir geht es sehr gut, alles passt. Ich bin gesund und kann das Leben ohne Stress genießen.”

Hitzfeld: „Ich bin stolz, Botschafter der Sepp-Herberger-Stiftung zu sein!“

Eine Sache jedoch ist Hitzfeld besonders wichtig, dafür investiert er gerne Zeit. Seit dem 21. Oktober 2016 ist er Botschafter der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Das ist für ihn nicht nur eine Aufgabe, sondern viel mehreine Herzensangelegenheit. „Dass ich diese Rolle ausfüllen darf, erfüllt mich mit Stolz“, sagt er. Sepp Herberger, der Chef, habe ihn immer dank seiner menschlichen Qualitäten und Führungsprinzipien beeindruckt. Herberger war für Hitzfeld eine der wichtigsten Persönlichkeiten auf seinem Weg zu einem der erfolgreichsten Trainer weltweit. Denn Hitzfeld war fünf Jahre alt, als die DFB-Auswahl, angeführt von Bundestrainer Sepp Herberger, am 4. Juli 1954 Weltmeister wurde. Seitdem hat ihn der Fußball nicht mehr losgelassen, seitdem hat sich Sepp Herberger für ihn zu einem Vorbild entwickelt: „Herberger hat großartige menschliche Qualitäten gezeigt, er hat sich Zeit seines Lebens sozial engagiert. Er hat vieles für den Nachwuchs und die Resozialisierung von Strafgefangenen getan.”

Eugen Gehlenborg, Vorsitzender der Sepp-Herberger-Stiftung und Ottmar Hitzfeld

Und Hitzfeld fühlt sich verpflichtet, dieses Erbe jetzt fortzusetzen. Gemeinsam mit den Stiftungsrepräsentanten Horst Eckel, Wolfgang Dremmler, Jens Nowotny, Nadine Keßler, Uwe Seeler, Timo Hildebrand, Otto Rehhagel und Tina Theune trägt er die Themen in die Öffentlichkeit, die zu oft den Weg dorthin nicht finden. Konkret geht es dabei um die Resozialisierung von Strafgefangenen, den Behinderten- und Blindenfußball, die Projekte und Initiativen im Bereich Schule und Vereine sowie das DFB-Sozialwerk, das in Not geratenen Mitgliedern der großen Fußballfamilie hilft. „Mit seinen Erfolgen zählt Ottmar Hitzfeld zusammen mit Sepp Herberger zu den großen Trainer-Persönlichkeiten unserer Republik und es ist uns auch vor diesem Hintergrund eine besondere Ehre und Freude, dass er sich für unsere Stiftungsarbeit engagiert“, betonen Eugen Gehlenborg, DFB-Vizepräsident und Vorsitzender der Sepp-Herberger-Stiftung, Schatzmeister Dr. Stephan Osnabrügge sowie Geschäftsführer Tobias Wrzesinski. „Dafür sind wir ihm von Herzen dankbar und hoffen, dass er uns auch weiterhin verbunden bleibt.“

Hitzfeld weiß ganz genau, dass der Fußball viel zu oft auf die Bundesliga, auf die Champions League sowie auf die Nationalmannschaft reduziert wird. Die Basis, das Fundament liegt jedoch nicht dort, wo das große Geld verdient wird. Es liegt auf den Plätzen in den Städten und in den Dörfern. Erst dort kann dieser Sport seine integrative Kraft, seine vielfältigen Möglichkeiten richtig ausspielen. Aber natürlich hat er auch das große Ganze im Blick. Er hat zum Beispiel sehr interessiert verfolgt, wie Bundestrainer Joachim Löw den Umbruch eingeleitet hat: „Bis zur Europameisterschaft im kommenden Jahr wird er wieder eine schlagkräftige Mannschaft geformt haben. Deutschland hat großartige junge Spieler mit außergewöhnlichem Talent.“ Er nennt Leroy Sane, Timo Werner, Thilo Kehrer, Serge Gnabry, Kai Havertz, Julian Brandt oder Leon Goretzka als Beispiele. Er könnte viele weitere nennen, denn er kennt sich nach wie vor aus. Ihm entgeht nichts. Auch mit 70 Jahren nicht.