JVA Ebrach tritt Anstoß-Initiative bei
09. Mai 2018 Zurück zur Artikelübersicht »

In der JVA Ebrach gibt es kein Anzeichen für ein Nachlassen. Auch sechs Jahrzehnte nach dem „Erstbezug“ versucht man weiter, alle Anstrengungen zur Resozialisierung zu optimieren. Die oberfränkische Haftanstalt wird seit 60 Jahren für den Jugendvollzug genutzt. Im Jubiläumsjahr wurde die größte Jugendstrafanstalt Bayerns nun auch in die Initiative „Anstoß für ein neues Leben“ aufgenommen. Im Beisein aller Projektpartner wurden die bundesweit erfolgreiche Resozialisierungsinitiative der DFB-Stiftung Sepp Herberger und die damit verbundenen Ziele im Rahmen einer „Kick-Off-Veranstaltung“ vorgestellt.

Für den Außenstehenden ist es schwer vorstellbar, dass sich hinter den historischen Gemäuern und der beeindruckenden Außenarchitektur ein Jugendgefängnis befindet. Das ehemalige Zisterzienserkloster dient bereits seit dem Jahr 1851 verschiedenen vollzuglichen Zwecken. Seit 1958 wird sich hier um den Jugendstrafvollzug gekümmert. Seit Kurzem spielt der Fußball in der Haftanstalt, die für vorbelastete männliche Strafgefangene ab 17 Jahren sowie für mehr als 21 Jahre alte Haftinsassen verantwortlich ist, eine ganz besondere Rolle. Als bundesweit 19. Justizvollzugsanstalt trat die JVA Ebrach nun der Initiative „Anstoß für ein neues Leben“ bei.

Auch hinter Gefängnismauern kann der Fußball seine integrative Kraft entfalten

Mit Fußball zurück in die Gesellschaft

Ziel der Initiative der ältesten deutschen Fußballstiftung ist es, gemeinsam mit starken Partnern, wie der Bundesagentur für Arbeit oder den jeweiligen DFB-Landesverbänden, ein Netzwerk zu bilden, um so gemeinsam mit den Jugendstrafgefangenen eine Perspektive für das Leben nach der Haft zu erarbeiten. „Der Jugendstrafvollzug hat einen besonderen Erziehungsauftrag zu erfüllen. Der Sport hat hier außergewöhnliche Möglichkeiten, um die Jugendlichen auf ihrem Weg zurück in die Gesellschaft pädagogisch zu fördern“, sagt Gerhard Weigand, der Leiter der JVA Ebrach. „Die Anstoß-Initiative bietet den Teilnehmern vielfältige Chancen für ihren Neustart nach der Inhaftierung“, betont Weigand. In den teilnehmenden Justizvollzugs- beziehungsweise Jugendstrafanstalten werden sogenannte „Anstoß-Mannschaften“ gegründet. Mittels der Durchführung von Maßnahmen aus den drei Säulen „Fußball“, „Arbeit/Beruf/Schule“ und „Soziales“ werden den jugendlichen Strafgefangenen neue Möglichkeiten eröffnet. In Bayern wird die Initiative bereits seit dem Jahr 2013 in der JVA Neuburg-Herrenwörth umgesetzt. „Wir freuen uns, dass sich mit der JVA Ebrach nun bereits eine zweite bayerische Haftanstalt der Anstoß-Initiative angeschlossen hat“, betont Nico Kempf, stellvertretender Geschäftsführer der Sepp-Herberger-Stiftung. „Mit den Möglichkeiten des Fußballs und der verschiedenen Projektpartner wollen wir zu einer erfolgreichen Resozialisierung beitragen“, so Kempf weiter.

Thomas Unger, Bezirksvorsitzender Oberfranken im Bayerischen Fußball-Verband, skizziert die Optionen des mitgliederstärksten DFB-Landesverbandes: „Unser Repertoire reicht von der Vermittlung von Gegnern für Freundschaftsspiele über Schiedsrichter- und Trainer-Ausbildungen bis hin zu Besuchen des DFB-Mobils. Wir haben eine große gesellschaftliche Verantwortung. Deshalb unterstützen wir, dass auch in den Haftanstalten Fußball gespielt werden kann oder die Inhaftierten die Rolle und Perspektive eines Schiedsrichters vermittelt bekommen. Zudem wollen wir aktiv mithelfen, dass die Jugendlichen nach der Freilassung den Weg in einen der mehr als 4.600 bayerischen Fußballvereine finden.“

Oliver Schwab (Agentur für Arbeit Bamberg), Harald Götz (JVA Ebrach), Michael Wagner (JVA Ebrach), Thomas Unger (Bayerischer Fußball-Verband), Gerhard Weigand (JVA Ebrach), Nico Kempf (DFB-Stiftung Sepp Herberger), Thorsten Lunz (1. FC Nürnberg), Michael Wimmer (1. FC Nürnberg)

1.FC Nürnberg übernimmt Patenschaft

Zum Auftakt konnte sich das neu gegründete Anstoß-Team über eine besondere Trainingseinheit mit den Spielern der U17-Mannschaft des 1. FC Nürnberg freuen.  Der fränkische Traditionsverein hat im Rahmen der Anstoß-Initiative eine Patenschaft über die oberfränkische Haftanstalt übernommen. Existierten zu Beginn des Trainings noch Berührungsängste zwischen den Jugendlichen, kamen die Spieler beider Mannschaften schnell zu einem guten Miteinander, klatschten sich ab, gaben sich taktische Anweisungen oder lobten gelungene Aktionen. Eine Trainingseinheit, die auch aus Sicht von Thorsten Lunz, pädagogischer Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des 1. FC Nürnberg, in jedem Fall wiederholt werden soll: „Von solchen Aktivitäten profitieren beide Seiten. Für unsere Nachwuchsspieler war der Besuch im Rahmen ihrer Persönlichkeitsentwicklung eine besondere Erfahrung. Die Patenschaft über das JVA-Team ist ein weiterer wichtiger Baustein unseres sozialen Engagements für unsere Region.“

Die Kick-Off-Veranstaltung in der JVA Ebrach bestätigte einmal mehr – auch hinter Gefängnismauern kann der Fußball seine integrative Kraft entfalten.