03. Mai 2018 | Zurück zur Artikelübersicht » |
884 Minuten hielt Timo Hildebrand im Jahr 2003 seinen Kasten sauber. Bis heute die am längsten währende weiße Weste in der Geschichte der Bundesliga. Vor zwei Jahren beendete der heute 39-jährige Hildebrand nach 17 Jahren im Profigeschäft seine Laufbahn und lebt mittlerweile wieder in Stuttgart, wo er 2007 die Deutsche Meisterschaft feierte. Jetzt steht er vor einer völlig neuen Aufgabe. Timo Hildebrand wird Botschafter der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Für seinen ersten Auftritt als Repräsentant Deutschlands ältester Fußballstiftung müsste er eigentlich Gefahrenzulage verlangen.
Timo Hildebrand wird neuer Botschafter der DFB-Stiftung Sepp Herberger
DFB.de: Herr Hildebrand, bis heute sind Sie mit 884 Minuten ohne Gegentor Rekordhalter in der Bundesliga.
Timo Hildebrand: Immer noch. Ganz schön lange her.
DFB.de: Ihr Rekord erstreckt sich über zwei Spielzeiten, von der Saison 2002/2003 bis in die Saison 2003/2004. Erinnern Sie sich an einen unhaltbaren, den Sie rausholen mussten?
Hildebrand: Es gab einen Elfmeter in Gladbach, da wäre die Serie früh gerissen, wenn ich den nicht gehalten hätte. Igor Demo hat den damals geschossen, ich konnte parieren.
DFB.de: Dachten Sie während der Phase, jetzt bin ich unbezwingbar, jetzt geht gar keiner mehr rein?
Hildebrand: Das war damals schon so. Zu Beginn der Saison 2003/2004 in einem Spiel gegen Hannover laufen drei Gegner auf mich zu und der Schuss geht gegen meinen Schuh, gegen den Pfosten und von dort wieder raus. Ich war einfach top drauf, wir haben super verteidigt.
DFB.de: Marcelo Bordon spielte damals in Stuttgart.
Hildebrand: Meira, Soldo, Philipp Lahm hinten links. War schon eine gute Verteidigung.
DFB.de: Jogi Löws Assistenztrainer Thomas Schneider war auch einer Ihrer Mitspieler.
Hildebrand: Ich habe bis heute ein gutes Verhältnis zu ihm. Wir haben uns letztens in Berlin beim Länderspiel gegen Brasilien getroffen.
DFB.de: Viele Fußballfans denken: Der Timo hätte in Stuttgart bleiben sollen. 2007 wechselten Sie direkt nach der Deutschen Meisterschaft des VfB nach Valencia. Wie sehen Sie es im Rückblick?
Hildebrand (lacht): Das sagen wirklich immer noch viele. Klar, kann man der Meinung sein. Ich wollte damals etwas Neues probieren und aus heutiger Sicht muss ich sagen, es hat nicht so funktioniert, wie ich mir das gewünscht habe. Ich möchte die Erfahrung dennoch nicht missen. Ich wollte in meiner Karriere eigentlich nicht so viele Vereine auf der Liste stehen haben. Aber jede Station hatte ihre eigene Geschichte. Im ersten halben Jahr in Valencia musste ich mich noch mit Canizares abwechseln. Dann habe ich gespielt, dann kam Koeman und wir haben den Pokal, die Copa del Rey, gewonnen. Aber dann kam wieder ein neuer Trainer.
DFB: Ist es so, dass gerade Torwarte leiden, wenn die Cheftrainer ständig wechseln?
Hildebrand: Es ist auf jeden Fall nicht förderlich. Wir hatten in meinen zwei Jahren in Valencia vier Trainer, drei Präsidenten und ‚schieß-mich-tot‘ wie viele Sportdirektoren. Es war sehr schwierig.
DFB.de: Nun übernehmen Sie eine neue Aufgabe, nämlich als Botschafter der ältesten deutschen Fußballstiftung. Was hat Sie überzeugt?
Hildebrand: Das Gesamtkonzept und die Gespräche mit Tobias Wrzesinski, dem Geschäftsführer der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Im April war ich bei der Verleihung der Sepp-Herberger-Urkunden in Mannheim eingeladen und konnte mich da nochmal informieren, auch über die Stiftungsschwerpunkte, also Behindertenfußball, die Unterstützung von Kooperationen zwischen Schulen und Fußballvereinen, Fußball als Mittel zur Förderung der Resozialisierung. Bei der Verleihung in Herbergers Heimatstadt gab es einige emotionale Bühnenmomente, die ich wirklich das erste Mal in dieser Form erlebt habe. Die Sepp-Herberger-Stiftung leistet eine starke Arbeit. Da bin ich gerne für da.
DFB.de: Für Ihren ersten Einsatz als Botschafter müsste es Gefahrenzulage geben.
Hildebrand (lacht): Ich bin gespannt. Tatsächlich werde ich am Samstag beim Auftakt der Blindenfußball-Bundesliga in Wangen im Allgäu erstmals als Stiftungsbotschafter auftreten. Und ich habe zugesagt, selbst eine Augenbinde aufzusetzen und gegen die blinden Fußballerinnen und Fußballer anzutreten.
DFB.de: Es gäbe eine Ausrede. Die Torwarte beim Blindenfußball dürfen sehen.
Hildebrand: Ich weiß, aber ich werde auf jeden Fall die Gelegenheit nutzen und auch im Feld spielen. Ich will herausfinden, ob ich auch blind die Kugel treffe.
DFB.de: Unter anderem Horst Eckel, Uwe Seeler und Ottmar Hitzfeld repräsentieren die Sepp-Herberger-Stiftung als Botschafter. Nach aufwändiger Berechnung steht fest: Sie werden den Altersschnitt senken.
Hildebrand (lacht): Es ist doch ganz normal, auch im Sportlerleben, dass mal wieder junges Blut reinkommt. Wir müssen schauen, dass wir mit den wichtigen Botschaften der Sepp-Herberger-Stiftung auch die jüngere Generation erreichen. Dazu will ich meinen Teil beitragen.
DFB.de: Sie machen sich auch stark für „fleischloses“ Essen.
Hildebrand: Das stimmt. Ich habe mich mit der Thematik immer mehr auseinandergesetzt. Mir liegt das am Herzen. Ich halte eine vegetarische oder vegane oder vielleicht einfach auch „fleischreduzierte“ Ernährung aus gesundheitlichen Gründen für absolut empfehlenswert. Dazu kommt die moralische Frage. Ich jedenfalls merke, dass mir das guttut.
DFB.de: Zum Abschluss müssen wir noch über den Mittelfuß der Nation sprechen. Verfolgen Sie Manuel Neuers Rückkehr?
Hildebrand: Natürlich kriege ich das alles mit. Gut ist, dass er schon im April wieder ins Training eingestiegen ist. Ich bin gespannt, ob er nochmal in der Bundesliga angreift, oder ob er sich auf das Trainingslager in Eppan und die beiden Testspiele gegen Österreich und Saudi-Arabien konzentriert. Welches Risiko er mit der WM-Teilnahme eingeht, weiß nur Manu. Und ob seine bekanntermaßen sehr aktive Spielweise etwas mit der Wiederkehr der Verletzung am Mittelfuß zu tun hat, kann ich nicht einschätzen. Manu ist ein großer Torwart, eine riesige Erscheinung. Jetzt muss er extrem aufpassen, dass der Fuß einfach richtig ausheilt.
DFB.de: Und wen würden Sie neben Neuer noch mitnehmen nach Russland?
Hildebrand: Marc-André ter Stegen hat seine Rolle als Nummer zwei mehr als gut ausgefüllt. Er spielt überragend bei Barca. Bernd Leno und Kevin Trapp waren jetzt schon lange Zeit bei der Nationalmannschaft. Da würde ich an der Rangfolge nichts mehr ändern.