Die Freiheit auf dem Platz – Spielerinnen des 1. FC Köln besuchen die JVA Köln-Ossendorf
26. Januar 2018 Zurück zur Artikelübersicht »

„Anstoß für ein neues Leben“ heißt die Resozialisierungsinitiative der Sepp-Herberger-Stiftung, die der 1. FC Köln unterstützt. Dafür besuchten die FC-Spielerinnen am Dienstag, dem 16. Januar 2018, weibliche Jugendstrafgefangene in der JVA Köln-Ossendorf und trainierten mit ihnen. FC-Mitarbeiter Daniel Misterek war mit vor Ort.

Langsam gehen die FC-Spielerinnen durch den Korridor im Frauentrakt der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf. Schwere Eisentüren vor den Zellen. Einzelzellen. Von außen sehen alle gleich aus. Manche junge Frauen haben allerdings ein selbstgemaltes Bild oder ein Foto an die Tür gehängt, um sie etwas persönlicher zu gestalten. Doch das beklemmende Gefühl bleibt. Hinter jeder Tür steckt nicht nur eine Gefangene, sondern eine eigene Geschichte, die erzählt, warum die Inhaftierte hinter Gittern sitzt. Keine davon ist unschuldig, keine ohne Grund an diesem Ort. Und doch gibt es unterschiedliche Hintergründe, warum die Frauen kriminell geworden sind. Das Umfeld, die falschen Freunde, eine Familie, die keine Liebe schenkte. „Manche Frauen, die hier ihre Haftstrafe absitzen, haben vorher nie gelernt, Rücksicht auf andere zu nehmen oder füreinander da zu sein“, sagt Justizvollzugsbeamtin Ileana Wünsche, die die Resozialisierungsinitiative ‚Anstoß für ein neues Leben‘ in der JVA mit ihrem Kollegen Frank Prösdorf leitet.

Der 1. FC Köln unterstützt weibliche Jugendstrafgefangene in der JVA Köln-Ossendorf

Kein Klischee

Der Alltag in der Haftanstalt ist häufig ähnlich, nur nicht an diesem Tag. Die Spielerinnen des 1. FC Köln trainieren mit der Frauen-Fußballmannschaft der JVA. Es ist eine Maßnahme zur Resozialisierung, die die Stiftung 1. FC Köln in Kooperation mit der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes unterstützt. Die inhaftierten Straftäterinnen lernen Fairness, Sportsgeist – und die Fähigkeit, ihre Energie in den Fußball zu kanalisieren. In der Hofanlage der Haftanstalt liegt ein Tartanplatz, dieses Mal trainiert das Team aber auf Grund des schlechten Wetters in der Halle. Der Zugang zur Halle ist durch Tore mit Gitterstäben versperrt, die Ileana Wünsche mit einem eisernen Schlüssel aufschließt. Die Sporthalle sieht auf den ersten Blick völlig normal aus. Dort warten die FC-Spielerinnen auf ihre heutigen Mitspielerinnen. Was sie wohl gleich erwarten werden? Kräftige Frauen mit Tätowierungen am ganzen Körper? Doch die Mädchen, die die Turnhalle betreten, sind zwischen 16 und 24 Jahren. Meist klein und zierlich. Teilweise sogar schüchtern.  „Was haben die bloß angestellt, dass sie an diesem Ort sind?“, diese Frage geistert nicht nur FC-Spielerin Julia Arnold durch den Kopf.

Die Sehnsucht nach Freiheit

Nach einer Begrüßung und einem ersten Kennenlernen baut FC-Trainerin Stephanie Caspari die Trainingseinheit auf. Die FC-Spielerinnen mischen sich unter die Jugendstrafgefangenen, dann geht das Training los. Die Spielerinnen laufen über eine am Boden liegende Koordinationsleiter, machen ein gemeinsames Aufwärmspiel und Schussübungen. Madeleine geht ins Tor. Sie gehört zu den wenigen, die schon Fußball gespielt haben, bevor sie auf die schiefe Bahn gerieten. Madeleine ist seit drei Jahren in der Haftanstalt. Einen Raubüberfall hat sie begangen, da war sie noch minderjährig. Sie war nicht die Haupttäterin, aber sie war dabei. Drei Jahre Haft, die ihr bewusstgemacht haben, dass sie einen großen Fehler begangen hat. „Ich hatte einen sehr schlechten Umgang. Meine Freunde waren kriminell und ich hatte damals nicht bemerkt, dass sie nicht gut für mich sind“, sagt Madeleine. In der JVA Köln-Ossendorf hat sie eine Ausbildung zur Textil- und Modenäherin begonnen, ihre ursprüngliche Ausbildung zur Bäckerin musste sie durch den Haftantritt abbrechen. Madeleine sagt: „Ich sehne mich nach dem Tag, an dem ich frei bin. Ich möchte gerne wieder als Bäckerin arbeiten. Ich kann meine begangenen Fehler nicht wiedergutmachen, aber ich möchte ein anderes Leben führen. Ohne Kriminalität. Und ich möchte nie wieder hierher zurück.“

Für die Mädchen der JVA ist der Besuch der FC-Spielerinnen ein Highlight. Sie trainieren zusammen, sprechen offen über die Vergangenheit und über Wünsche und Träume. Manche Gefangene wurden wegen Körperverletzung verurteilt, Raub oder Drogenhandel. Beim Fußball zeigen sie ein anderes Gesicht. Für einige ist er eine gelungene Abwechslung ihres tristen Alltags geworden, für andere sogar eine Leidenschaft. Fußballerisch haben sie sich in den vergangenen Monaten verbessert und gelernt, was es bedeutet, in einem Team zu spielen und sich zu unterstützen.

Für die Mädchen der JVA ist der Besuch der FC-Spielerinnen ein Highlight

Ein Blick in die Zelle

Nach 90 Minuten endet die Trainingseinheit und die FC-Spielerinnen nutzen die Möglichkeit, einen begleiteten Rundgang durch die JVA zu machen. Doreen, eine Spielerin des JVA-Teams, zeigt ihre Zelle. Auf wenigen Quadratmetern ist alles untergebracht. Ein Bett, ein Stuhl, ein Schreibtisch, ein Kleiderschrank und ein WC, das nur durch einen Vorhang vom Bett getrennt ist. Eine Dusche gibt es nicht – zweimal in der Woche dürfen die jungen Frauen in den Gemeinschaftsräumen duschen. Wer arbeitet oder an einem Sportprojekt teilnimmt, darf häufiger duschen – ein System, das Engagement belohnt. Eine Stunde am Tag dürfen die Gefangenen in den Hof. An die frische Luft. Telefonieren zweimal in der Woche – und die Gespräche werden mitgehört. Doreen hat sich daran gewöhnt. Sie musste es ja. Sie bedankt sich für den Besuch der FC-Spielerinnen und bleibt anschließend in ihrer Zelle. Vor zehn Minuten suchte sie noch die Freiräume in der gegnerischen Abwehr, jetzt fällt die eiserne Tür hinter ihr ins Schloss. Wieder eingesperrt.

Die FC-Frauen verlassen mit einem mulmigen Gefühl die JVA. Durch die Ausgangsschleuse und entlang der hohen Mauern und Zäunen mit Stacheldraht, vorbei an den Wachtürmen der Haftanstalt. „Der Besuch behält auch für uns eine bleibende Erinnerung“, sagt Julia Arnold. „Dinge wie Freiheit nimmt man als Selbstverständlichkeit wahr, sind sie aber nicht überall. Wir unterstützen die Initiative der Sepp-Herberger-Stiftung sehr gerne. Wir drücken den Frauen die Daumen, dass sie ihren Weg in ein soziales Leben in Freiheit zurückfinden.“ Und vielleicht hilft ihnen ja dabei auch der Fußball.