Anstoß für ein neues Leben: Uwe Seeler besucht Weihnachtsfeier in der JSA Berlin
06. Dezember 2017 Zurück zur Artikelübersicht »

Die Weihnachtsfeier des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) ist gute Tradition in der Jugendstrafanstalt (JSA) Berlin. Bereits seit den 1990er-Jahren ist der BFV auf vielfältige Weise für die Haftanstalt in Plötzensee engagiert. Die Veranstaltung in der Adventszeit wurde in den Vorjahren bereits von Reinhard Grindel, Wolfgang Dremmler und Otto Rehhagel besucht. Gestern öffneten sich die Tore der 1987 eingeweihten Jugendstrafanstalt für DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler.

Uwe Seeler und Eugen Gehlenborg (r.) zu Besuch in der JSA Berlin

Pünktlich zur besten Fußballzeit betrat „Uns Uwe“ um 15.30 Uhr den grünen Linoleumboden der Sporthalle. Rund zwei Dutzend Jugendstrafgefangene im Alter von 16 bis 24 Jahren erwarteten den mit Helmut Schmidt wohl bekanntesten Hamburger bereits. Im vorweihnachtlichen Ambiente berichtete Uwe Seeler aus seiner langen und beeindruckenden Karriere. Seine schönsten Tore wurden den Jugendlichen mit einer Filmeinspielung gezeigt. Darunter natürlich der berühmte Treffer mit dem Hinterkopf im WM-Viertelfinale gegen England 1970 in Mexiko. Seeler nahm sich viel Zeit für die Inhaftierten und berichtete über seine größten Erfolge, die Teilnahme an vier Fußball-Weltmeisterschaften, aber auch über den legendären Sepp Herberger, der ihn nach dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 erstmals in das Nationalteam berief. „Herberger hat schon sehr früh Kontakt mit mir aufgenommen“, erinnert sich Seeler. „Immer, wenn ich nach einem guten Spiel dachte, jetzt wird er mich sicher berufen, meldete sich der ‚Chef‘ und sagte ‚Uwe, machen Sie weiter so‘. Die ersehnte Nominierung blieb aus“, schmunzelt der heute 81-Jährige.

Als der DFB im März 1977 die Sepp-Herberger-Stiftung errichtete und damit das Lebenswerk des langjährigen Nationaltrainers (1936-1964) ehrte, zögerte Seeler keine Sekunde, für die Stiftung tätig zu werden. Seit 40 Jahren ist er nun bereits für Deutschlands älteste Fußball-Stiftung als Repräsentant und Mitglied des Kuratoriums engagiert. „Wenn Herberger rief, wäre ich mit dem Fahrrad von Hamburg nach München gefahren. Es war für mich völlig klar, dass ich mich für die Stiftung engagiere.“ Mit der Uwe-Seeler-Stiftung ist der 72-fache A-Nationalspieler selbst vielfältig für Menschen in Notsituationen engagiert.

Gehlenborg: „Sie sind Teil der Fußballfamilie!“

Für die Sepp-Herberger-Stiftung hat Seeler in den letzten Jahren zahlreiche Justizvollzugsanstalten besucht. Gemeinsam mit den anderen Stiftungsrepräsentanten setzt er mit den Besuchen fort, was Herberger mit einem Besuch in der JVA Bruchsal bereits im Jahre 1970 selbst begonnen hatte. In der Jugendstrafanstalt Berlin war Seeler zum ersten Mal, aber er ist nicht der erste DFB-Ehrenspielführer der die Einrichtung besucht. Bereits 1994 war Fritz Walter zu Gast. Ein Besuch, der bis heute nachhallt.

Teil der Fußballfamilie – die Jugendstrafgefangenen in der JSA Berlin

Zur Weihnachtsfeier begleitet wurde Uwe Seeler von einem weiteren Norddeutschen. DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg, der Vorsitzende der Sepp-Herberger-Stiftung, kam mit Seeler und unterstrich in seiner Ansprache die Intention der Stiftung: „Sie alle sind Teil der Fußballfamilie und der Gesellschaft. Sie sind von uns nicht vergessen“, so der Präsident des Norddeutschen Fußballverbandes. „Ihnen werden hier viele Möglichkeiten geboten. Bitte nutzen Sie diese Chancen für die Zeit nach der Inhaftierung“, so Gehlenborg und erinnerte an die Initiative „Anstoß für ein neues Leben“, an der die Strafanstalt seit Mai 2012 teilnimmt.

Getragen wird das in dieser Form bundesweit alleinstehende Engagement des Berliner Fußball-Verbandes durch BFV-Vizepräsident Gerd Liesegang und den früheren JVA-Mitarbeiter Werner Poel, der sich bis heute ehrenamtlich als Trainer der Fußballmannschaft engagiert und jede Woche das Training leitet. Für ihr Wirken wurden Liesegang und Poel in diesem Jahr mit der Sepp-Herberger-Urkunde ausgezeichnet. Eine verdiente Würdigung des Bemühens, das auch durch die disziplinierte Teilnahme der Jugendlichen am Trainingsbetrieb bestätigt wird: „Auch in diesem Jahr fand jede Einheit statt. Die Jungs sind immer motiviert bei der Sache und freuen sich auf das Training“, sagt Poel stolz. Eine schöne Bestätigung für sein wertvolles Ehrenamt.