20. September 2017 | Zurück zur Artikelübersicht » |
„Seid ihr bereit heute zu verlieren?“, fragt Wolfgang Dremmler mit einem Augenzwinkern in die Runde. Ein lautes Lachen ist die Antwort der Mannschaft, die sich gerade auf den Weg von der Kabine auf den Fußballplatz macht. „Wir zählen bestimmt nicht zu den Favoriten, aber heute sind wir doch alle Gewinner“, meint ein großgewachsener Spieler des JVA-Teams. Der gestrige Montag war ein besonderer Tag für die „Haus-Mannschaft“ der JVA Bayreuth St. Georgen. Der 23-fache Nationalspieler Wolfgang Dremmler besuchte als Botschafter der Sepp-Herberger-Stiftung das Fußballteam der drittältesten Haftanstalt Deutschlands. Doch damit nicht genug. Auch das Regionalliga-Team der SpVgg Oberfranken Bayreuth kam zu einer gemeinsamen Trainingseinheit und einem anschließenden Freundschaftsspiel in die Haftanstalt.
Wolfgang Dremmler besuchte das Fußballteam der JVA Bayreuth St. Georgen.
Die Visite des oberfränkischen Traditionsvereins war keine Strafe für die 0:5 Niederlage, die das junge Team am vergangenen Wochenende im Spitzenspiel gegen die U23 des FC Bayern München einstecken musste. Vielmehr stand der Besuch des aktuellen Drittplatzierten der Regionalliga Bayern im Kontext seines Engagements für den Fußballsport in der Region. Eine gehörige Portion Neugier war auch dabei, wie Marc Reinhardt, Trainer der Bayreuther „Oldschdod“, verriet: „Wir waren sehr gespannt auf das Fußballspielen hinter Gittern. Die Nervosität unserer Spieler hat sich aber schnell gelegt. Auf dem Platz sind wir alle Fußballer und es spielt in diesem Moment keine Rolle, aus welchen Gründen jemand hier ist.“
Das Regionalliga-Team der SpVgg Oberfranken Bayreuth kam zu einer gemeinsamen Trainingseinheit in die Haftanstalt.
„Das Umfeld prägt euch!“
Im Anschluss an die Sportpraxis fand eine Gesprächsrunde mit Wolfgang Dremmler statt. Ausführlich berichtete der Vize-Weltmeister von 1982 von seiner sportlichen Laufbahn und seiner Tätigkeit als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums und Chefscout des FC Bayern München. „Das Umfeld prägt euch“, appellierte der vierfache deutsche Meister an die Insassen. „Das professionelle Umfeld beim FC Bayern München sorgte dafür, dass aus jugendlichen Talenten viele Weltstars wurden. Euch haben in der Vergangenheit viele negative Einflüsse umgeben. Lasst das hinter euch und fangt neu an“, betonte Dremmler und wies auf die Möglichkeiten in den rund 25.000 Fußballvereinen in Deutschland hin: „Von euch wird es keiner mehr zum Profifußballer schaffen. Aber auch und gerade in den Amateurvereinen kann ich eine Menge Spaß haben und neue Freunde finden, die mir Halt geben.“
Prominente Fußballpersönlichkeiten wie Wolfgang Dremmler führen mit den Besuchen in Haftanstalten das Vermächtnis von Sepp Herberger fort. Der „Chef“ selbst machte sich 1970 das Wirken in Haftanstalten zur Lebensaufgabe. Heute ist das Engagement im Strafvollzug eine wesentliche Säule der Arbeit der Sepp-Herberger-Stiftung.
Übrigens – im rund 30-minütigen Freundschaftsspiel zwischen den beiden Bayreuther Teams setzte sich die Mannschaft der SpVgg Oberfranken Bayreuth zwar mit 6:2 gegen das JVA-Team durch, das faire Fußballspiel und der anschließende freundschaftliche Gesprächsaustausch sorgten aber in der Tat für Gewinner auf allen Seiten.