Rehhagel besucht JVA: “An Regeln halten”
25. August 2017 Zurück zur Artikelübersicht »

Im Fitnessraum der Justizvollzugsanstalt Groß-Hesepe, 20 Strafgefangene sitzen gereiht vor Otto Rehhagel und der Rekordtrainer der Bundesliga denkt zurück an ein Telefonat vor mehr als 30 Jahren. “Ein Spielerberater rief mich an, der redete und redete, und ich dachte nur: ‘Einen Norweger? Brauchen wir wirklich diesen Norweger?'” Rehhagel hatte 1981 zum zweiten Mal Werder Bremen übernommen, der kicker orakelte, dass diese “Ehe wohl nicht gut gehen wird”.

“Wir Fußballer müssen Optimisten sein”: Gehlenborg (l.) und Rehhagel (3.v.l.) in Lingen (Copyright Getty Images)

Schnell verpflichtete Rehhagel den damals 22-jährigen Rudi Völler. Dann bot ihm ein Spielerberater diesen Norweger an. “Ich wollte schon auflegen, da sagte er: ‘Der ist sehr schnell.’ Darauf habe ich den Spieler für ein Probetraining einfliegen lassen.” Chancen, Gelegenheiten, Zufälle. Rune Bratseth sollte in den folgenden neun Jahren 230 Bundesligaspiele für Werder Bremen absolvieren und eine Ära mitprägen.

Das Beste aus sich herausholen – eine universelle Lektion

Heute hier im Emsland, in einer Außenstelle der JVA Lingen, ringt Rehhagel wie ja eigentlich schon immer darum, das Beste aus seinen Spielern rauszuholen. DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg begleitet ihn. Die Mission von  Sepp Herberger, der in den 1970er-Jahren erstmals Strafgefangene im Gefängnis besuchte, um mit ihnen zu reden, ihnen Mut zu machen, um gemeinsam Fußball zu spielen, haben seither viele Nationalspieler fortgesetzt.

“Anstoß für ein neues Leben” ist eine Weiterentwicklung der Idee des Alt-Bundestrainers. In 17 Justizvollzugsanstalten laufen Programme, neun Bundesländer machen mit, die DFB-Stiftung Sepp Herberger kooperiert mit der Bundesagentur für Arbeit und den jeweiligen Justizministerien. Herbergers Anstoß hat sich längst zu einer umfangreichen Resozialisierungsmaßnahme entwickelt. Aktuell gehen für die DFB-Stiftung Ex-Nationalspieler Jens Nowotny. Ex-Bayern-Profi Wolfgang Dremmler und der Weltmeister Horst Eckel ins Gefängnis. Und Otto Rehhagel.

Rehhagel: “Sie müssen den Ball spielen, immer spielen”

Von wegen kontrollierte Offensive. Als Rehhagel mit den strafgefangenen Fußballern auf dem grünen und ziemlich welligen Fußballplatz steht, brennt er vor Begeisterung. “Sie müssen den Ball spielen, immer spielen.” Kein Tändeln, kein langes Ballhalten. Rehhagel, der im nächsten Jahr 80 Jahre alt wird, demonstriert einen Querpass. Leichte Beckenkompression, gute Körperspannung.

Otto Rehhagel: “Du hast die Pflicht, etwas Vernünftiges aus deinem Leben zu machen” (Copyright: Getty Images)

Vorher im Fitnessraum hat er ein paar Episoden aus seiner beispiellosen Laufbahn erzählt. 832 Spiele saß er in der Bundesliga auf der Bank, viel mehr als jeder andere. Zweimal wurde er mit Werder Meister, zweimal Pokalsieger, 1992 Europapokalsieger. Sein Meistertitel mit dem Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern und der Gewinn der Europameisterschaft 2004 mit Griechenland – Legenden der Fußballgeschichte. Er hat sie ein wenig auf die Reise mitgenommen, aber dreimal sagt er auch diesen einen Satz: “Sie müssen sich an Regeln halten.”