13. April 2017 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Schatzmeister Dr. Stephan Osnabrügge
Dr. Stephan Osnabrügge hat genau vor einem Jahr das Amt als Schatzmeister des größten Sportfachverbandes der Welt übernommen. Im DFB.de-Interview mit Tom Neumann zieht der Jurist und langjährige Vizepräsident des Fußball-Verbandes Mittelrhein nach exakt 365 Tagen im Amt eine erste Bilanz und spricht über die Affäre rund um die WM 2006, die aktuelle Betriebskultur beim DFB und die besondere Bedeutung der ‚Freunde der Nationalmannschaft‘.
DFB.de: Herr Dr. Osnabrügge, was hat Sie während ihres ersten Jahres als DFB-Schatzmeister überrascht, was erfreut? Und worüber haben Sie sich geärgert?
Dr. Stephan Osnabrügge: Na ja, das waren auch für den DFB extrem bewegte Monate, die ich aber auch als sehr positiv erlebt habe. Die Zusammenarbeit mit dem Präsidium und dem Präsidialausschuss empfinde ich als menschlich sehr angenehm und in der Sache konstruktiv. Und auch die Zusammenarbeit mit dem Hauptamt und dem Generalsekretär Dr. Friedrich Curtius ist extrem positiv. Ich habe eine Vielzahl an hoch motivierten und von der Sache getragenen Menschen angetroffen, wie man es in der Wirtschaft sonst in dieser Form nicht erlebt. Und wir muten unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Moment wirklich vieles zu, unser Verband verändert sich an allen Stellen. Ich selbst wurde mit großer Freundschaft und riesigem Vertrauen aufgenommen und durfte dann erleben, wie mich die Delegierten des DFB-Bundestages nach sechs Monaten einstimmig im Amt bestätigt haben. Der Verband hat eine enorme Strahlkraft, das erlebe ich immer wieder. Negativ sind natürlich die Lasten der Vergangenheit, die uns nach wie vor verfolgen, genauso wie die Prozesse, die wir nach wie vor führen müssen und von denen ich überzeugt bin, dass dieser Verband sie nicht verdient hat. Wir sprechen über das Fehlverhalten Einzelner, das uns alle weiterhin beschäftigt.
DFB.de: Wie erleben Sie die öffentliche Auseinandersetzung?
Osnabrügge: Man kann die mediale Berichterstattung nicht über einen Kamm scheren. Aber ich muss schon sagen, dass es mir gegenüber den Menschen, die damals involviert waren, an Fairness zu mangeln scheint. Als schlimme Nebenwirkung sind dadurch der große soziale Nutzen und die Strahlkraft, die die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland hatte, leider tatsächlich etwas in den Hintergrund getreten. Ich bin überzeugt davon, dass dies weder das Ereignis noch die Menschen verdient haben. Es war ein „Sommermärchen“ aller Deutschen, und das wird es auch immer bleiben. Unabhängig davon, was Einzelne im Umfeld falsch gemacht haben, und was natürlich aufgearbeitet werden musste und muss.
DFB.de: Haben Sie eigentlich vor einem Jahr lange überlegen müssen, als Kandidat für das Amt des Schatzmeisters anzutreten?
Osnabrügge: Zum langen Überlegen war damals nicht die Zeit, aber ich habe schon intensive Gespräche geführt. Mit meiner Familie, aber auch mit den Partnern in meiner Anwaltskanzlei, weil natürlich klar war, dass im Vergleich zu meiner vorangegangenen Tätigkeit als Vizepräsident im Fußball-Verband Mittelrhein das Amt des DFB-Schatzmeisters einen noch größeren zeitlichen Aufwand und auch ein weiter gesteigertes persönliches Engagement verlangen würde. Aber ich habe es bis heute nicht bereut.
Engagiert für die Stiftungsarbeit – Dr. Stephan Osnabrügge
DFB.de: Wenn man sich das Aufgabenfeld des DFB-Schatzmeisters durchliest, dann klingt das nach einem Full-Time-Job. Bleibt da für den Juristen Osnabrügge auch noch Zeit, als Anwalt tätig zu sein?
Osnabrügge: Es muss sich vereinbaren lassen, denn die Tätigkeit beim DFB ist zwar kein Ehrenamt, sondern streng genommen ein Wahlamt, aber die Aufwandsentschädigung, die der DFB für dieses Amt zahlt, reicht nicht aus, um den Zeitaufwand, den man einbringt, zu kompensieren. Deswegen ist die Aufrechterhaltung der Berufsfähigkeit alleine schon aus diesem Grund notwendig. Sie ist mir aber auch wichtig, weil ich damit unabhängig bleibe. Und überdies habe ich Mitverantwortung für 25 Mitarbeiter in der Kanzlei, die ich mir mit den Kollegen aufgebaut habe und deren Partner ich bin. Das eine muss also mit dem anderen vereinbar sein und auch bleiben.
DFB.de: Und der Fußball? Kommen Sie noch selbst dazu, mal gegen den Ball zu treten?
Osnabrügge: Angefangen habe ich mit neun Jahren beim 1. FC Oberahr im Fußball-Verband Mittelrhein. Mit 14 wurde ich Schiedsrichter und mit 18 Jahren musste ich mich entscheiden, ob ich weiter pfeifen oder spielen wollte. Ich habe mich für das Pfeifen entschieden und fortan den Sport als Schiedsrichter betrieben. Heute spiele ich noch aktiv in einer Freizeitmannschaft, für das Pfeifen reicht es zeitlich leider nicht mehr. Der Fußball, egal ob auf den kleinen Plätzen oder in den großen Stadien, fasziniert mich und meine ganze Familie.
DFB.de: Als DFB-Schatzmeister sind sie zugleich auch Schatzmeister der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Welche Erinnerungen haben Sie an den Weltmeister-Trainer von 1954?
Osnabrügge: Offen gestanden überhaupt keine. Sepp Herberger ist ja im Jahr 1977 gestorben und ich bin Jahrgang 1970. Aber das Wunder von Bern, die gesamte WM 1954 in der Schweiz, das alles hat nach wie vor eine unglaubliche Strahlkraft. Mir scheint, für die heutige Generation ist der WM-Sieg durch Sönke Wortmanns bewegenden Film und das Musical wieder lebendiger geworden.
DFB.de: Sie waren Vorsitzender der Kommission Gesellschaftliche Verantwortung beim DFB: Wie wichtig ist die Arbeit der Sepp-Herberger-Stiftung?
Osnabrügge: Das Wirken ist enorm wichtig, auch weil sich die Stiftungsarbeit einerseits und die Abteilung Gesellschaftliche Verantwortung andererseits ganz bewusst ergänzen. Die Sepp-Herberger-Stiftung engagiert sich im Bereich der Resozialisierung, der Inklusion, im Behindertenfußball und ist das Sozialwerk des DFB, so wie es Sepp Herberger in seinem Testament niedergeschrieben hat. Im Bereich der Gesellschaftlichen Verantwortung beim DFB beschäftigen wir uns mit strukturellen Fragen, etwa zu wichtigen Themen wie Gewaltprävention, Kinderschutz, Fair Play und Vielfalt. Diese Handlungsfelder und Kompetenzen ergänzen sich ganz wunderbar. Die Stiftungen können nachhaltige Programme auflegen und betreuen, in denen die Abteilung Gesellschaftliche Verantwortung nicht tätig sein kann. Und umgekehrt kann der DFB strukturelle Grundlagenarbeit leisten und damit die Stiftungen unterstützen. Auch in der DFB-Stiftung Egidius Braun und der DFB-Kulturstiftung wird wichtige Arbeit geleistet, und es werden immer gesellschaftspolitische Akzente gesetzt.
DFB.de: Die Freunde der Nationalmannschaft sind größter Unterstützer der ältesten deutschen Fußballstiftung.
Osnabrügge: Ich habe im vergangenen Jahr die Mitgliederversammlung der FdN in Hamburg besucht, das war wirklich eine tolle Veranstaltung. Die FdN gibt es seit 1978, die Mitglieder leisten einen wichtigen Beitrag für den Stiftungsetat. In Hamburg haben wir eine Hafenrundfahrt unternommen, waren dann mit den „FdNs“ im Musical zum „Wunder von Bern“ und haben schließlich das WM-Qualifikationsspiel gegen Tschechien verfolgt. Die Nähe des DFB-Schatzmeisters zu diesem doch bewusst exklusiven Verein, der die Stiftung so unglaublich unterstützt, ist sehr wichtig. Man trifft dort viele beeindruckende Persönlichkeiten, deshalb freue ich mich immer, wenn ich an einer FdN-Veranstaltung teilnehmen kann.
DFB.de: Wie wichtig ist dem DFB die Einbindung und aktive Mitwirkung der Freunde der Nationalmannschaft?
Osnabrügge: Sehr wichtig – das sehen Sie auch daran, dass ich nicht der Einzige in Hamburg war. DFB-Präsident Reinhard Grindel war dabei und Uwe Seeler als Botschafter der Sepp-Herberger-Stiftung ebenfalls. Und Sie sehen es auch an der Tatsache, dass die FdN als echter Förderverein der Stiftung strukturell keine Verbindung zum DFB haben müsste. Der Vorsitzende des Vereins ist jedoch ein Mitglied des DFB-Präsidiums, und zwar Eugen Gehlenborg, der zuständige Vizepräsident für Soziales und Gesellschaftspolitik. Dadurch gibt es einen direkten Draht in das DFB-Präsidium. Und wenn dort Themen besprochen werden, die für die Freunde der Nationalmannschaft interessant sind, bringt Gehlenborg im Präsidium die Meinungen der FdN mit ein. Diese Querverbindung ist uns wichtig. Gleichzeitig hält er als Vorsitzender der Stiftung auch hier die Verbindung zu den „FdN“ aufrecht.
DFB.de: Was macht die Freunde der Nationalmannschaft aus Ihrer Sicht besonders?
Osnabrügge: Die Freunde der Nationalmannschaft sind ja kein typischer Fanclub. Sie verbindet einerseits das Interesse für unsere Nationalmannschaft, andererseits aber auch der Wille und die fundierte Absicht, sich sozial in unserem Land einzubringen. Die Sepp-Herberger-Stiftung wurde 1977 errichtet, die FdN 1978 gegründet. Satzungszweck des Vereins ist die Förderung der Sepp-Herberger-Stiftung. Und die wirtschaftliche Bedeutung ist enorm. Im Stiftungshaushalt 2016 sind alleine 160.000 Euro an Zuwendungen aus dem Kreis der FdN eingestellt. Rückwirkend haben die Freunde der Nationalmannschaft seit 1978 rund fünf Millionen Euro für die Stiftungsarbeit gespendet. Aber es gibt eben nicht nur diese monetäre Unterstützung. Als Beispiel sei die Verleihung der Sepp-Herberger-Urkunden genannt, die wir seit Jahren im Congress Center Rosengarten in Mannheim durchführen. Und die beiden Geschäftsführer dort sind institutionelle Mitglieder bei den FDN und unterstützen die Stiftung über die reine Mitgliedschaft hinaus.
Dr. Stephan Osnabrügge wünscht sich die Fußball EM 2024 in Deutschland.
DFB.de: Welche Entwicklung wünschen Sie sich für die Freunde der Nationalmannschaft – auch mit Blick auf die Mitgliederzahlen?
Osnabrügge: Triebfeder der FdN waren einst die engen Weggefährten Sepp Herbergers. Das ist alleine schon aufgrund der nachfolgenden Generationen so nicht mehr gegeben. Wir haben Mitglieder, deren Väter oder Großväter waren schon Mitglieder. Auf der anderen Seite haben wir auch sehr junge Mitglieder wie Patrick Buchmann, der wurde als jüngstes Mitglied 1987 geboren. Das Durchschnittsalter liegt bei 60 Jahren. Mir wäre es wichtig, wenn wir es für die Zukunft schafften, von den engen Weggefährten hin zu einem lebendigen Verein zu kommen, unabhängig von der persönlichen Nähe zu Sepp Herberger. Aktuell haben die Freunde der Nationalmannschaft knapp 170 Mitglieder. Gelingt es uns, die Mitgliederzahl auf eine Zielgröße von 200 Mitgliedern weiterzuentwickeln und dabei die Exklusivität zu bewahren, wäre das ideal.
DFB.de: Sie sind ja nicht nur Schatzmeister des DFB, sondern waren bis Dezember auch in einem anderen Verband aktiv – als Justiziar im Aeroclub NRW. Gehen Sie gerne in die Luft?
Osnabrügge: Im Sinne von aufregen: Nein! Aber fliegerisch ja. Allerdings musste ich meine Flugausbildung, in der ich mittendrin steckte, im April des Vorjahres abbrechen, weil schnell klar wurde, dass neben Beruf und DFB keine Zeit mehr bleibt für ein zusätzliches Hobby. Ich habe zum Jahreswechsel auch die Tätigkeit als Justiziar in die Hände eines Nachfolgers gelegt und berate den Verein heute nur noch.
DFB.de: Ein Verein, der ein sehr schönes Motto hat: „Lebe deinen Traum“. Welche Träume haben Sie mit Blick auf den Fußball?
Osnabrügge: Zum einen wünsche ich mir, dass wir 2024 die Europameisterschaft ausrichten dürfen und dass dieses Turnier dann ein alle Menschen in Deutschland bewegendes Ereignis wird. Eine positive und freundliche EM in unserem Land, bei der wir ein starkes, fröhliches und modernes Zeichen für Internationalität und Freundschaft setzen. Ich glaube, das wäre in den aktuellen Zeiten sehr wichtig. Zweitens wünsche ich mir, dass wir mit dem neuen DFB, der Akademie und dem Bau der neuen DFB-Zentrale dem Breitenfußball und dem Spitzenfußball ein neues Zuhause unter einem Dach geben, Das wären schon zwei große Träume und ich hoffe, dass beide bald Wirklichkeit werden.