24. März 2015 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Im Mannheimer Rosengarten werden am kommenden Freitag (27. März 2015) die Sepp-Herberger-Urkunden 2015 verliehen. Insgesamt zehn Fußballvereine erhalten in den Kategorien Behindertenfußball, Resozialisierung, Schule und Verein sowie Sozialwerk die mit Geldpreisen in einer Gesamthöhe von 35.000 Euro dotierten Auszeichnungen. Platz 1 in der Kategorie Resozialisierung belegt der SV Ophoven (Mittelrhein). Der freie Journalist Rainer Kalb stellt den Sieger vor.
Es begann im Jahre 2009. Damals wurde Dirk Schulze, heute 46, zum 1. Vorsitzenden der unterklassigen Spielvereinigung Ophoven 1936 (Fußball-Verband Mittelrhein) gewählt. Der dynamische, innovative „Neue“ hatte das Ziel, eine 2. Mannschaft zu gründen. Dazu fehlten ihm aber – so die alten Hasen im Vorstand – „mindestens zwei Aktive“; die SV hatte nur 28. Schulze rief in der nahe gelegenen Jugend-Justizvollzugsanstalt Heinsberg an: „Haben Sie nicht zwei Spieler für mich?“
„Zwei?“, echote es aus dem Telefon, „sie können Acht haben!“ Am anderen Ende der Leitung saß der heute pensionierte, damalige stellvertretende Leiter der Anstalt, Willi Kroh. Er stand schon immer dafür ein, dass jugendliche Straftäter während ihrer Haftzeit möglichst viele Kontakte zur Außenwelt haben sollen. Außerdem ist die JVA von Beginn an Partner der Resozialisierungsinitiative „Anstoß für ein neues Leben“, die von der DFB-Stiftung Sepp Herberger, der Bundesagentur für Arbeit, dem nordrhein-westfälischen Justizministerium und anderen Partnern ins Leben gerufen wurde. Und so unterschrieb Schulze kurz darauf ein Papier, demzufolge dieses Engagement keine Eintagsfliege, sondern nachhaltig sein solle und der Verein alle Auflagen erfülle.
Ophoven ist ein Dorf zwischen Aachen und Mönchengladbach an der niederländischen Grenze und zählt heute 739 Einwohner. Der Verein umfasst rund 100 Mitglieder – eine beachtliche Prozentzahl. Schulze: „Erst waren die Leute skeptisch, aber dann haben sie erkannt, dass oft gar nicht bemerkbar war, warum einer in Haft ist – so gut haben die sich integriert.“
Acht Spieler in der 1. Mannschaft / Verein hilft bei Lehrstellensuche
30 Spieler hat die SV Ophoven inzwischen „durchgeschleust“. Da ist es nur logisch, dass dieser kleine Verein angesichts seiner Ausdauer und seines Engagements den 1. Preis bei der Verleihung der Sepp-Herberger-Urkunden 2015 im Bereich Resozialisierung erhält. Die Auszeichnung ist mit einem Betrag in Höhe von 5.000 Euro dotiert.
Manche Spieler sind auch nach der Haft im Verein geblieben und haben einige Fahrtstrecken auf sich genommen, um pünktlich zum Anstoß zu erscheinen. Anderen wurden dank der Beziehungen des Vereins Lehrstellen verschafft. „In der Rückrunde der letzten Saison, als wir Personalnot hatten, standen acht Spieler aus der JVA für uns auf dem Platz“, erinnert sich Schulze. Derzeit sind es vier. „Andere Vereine aus dem Umland wie TuS Rheinland Dremmen und Heinsberg-Lieck wollen uns unterstützen, und das ist nur gut so“, erklärt Schulze. „Denn die Belastungen sind schon enorm.“
Die Spieler müssen zwei Mal wöchentlich zum Training abgeholt und wieder in die JVA zurückgebracht werden, dazu sonntags zu den Spielen. Das erfordert großen zeitlichen Aufwand der Vereinsangehörigen, verursacht erhebliche Fahrtkosten, aber, so Schulze: „Auch von den Beamten in der JVA ist eine erhebliche zeitliche Flexibilität und viel Engagement erforderlich.“
Seinen größten Traum hat sich Schulze noch nicht erfüllen können. Es gibt in Heinsberg ein „DFB-Team“, in dem talentierte Jugendspieler zusammengefasst sind, die innerhalb der JVA auch in einer sogenannten „DFB-Wohngruppe“ zusammenleben. Aus denen wollte Schulze eine eigene A-Jugend bilden, aber das scheiterte: Die Insassen dürfen die JVA sonntags erst ab 12 Uhr verlassen, und das hätte die Spielpläne gestört. Die Gegner hätten nur Auswärtsspiele auf dem Trainingsgelände des Gefängnisses gehabt – und deren Anreise hätte auch das Wachpersonal vor derzeit unlösbare Probleme gestellt.
Die übrigen Plätze in der Kategorie Resozialisierung belegen der FC Hansa Rostock (Mecklenburg-Vorpommern; 2. Platz) und der TSV Friedrichsberg-Busdorf (Schleswig-Holstein; 3. Platz).