29. März 2014 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Es gibt in Bruchsal bei Karlsruhe eine Justizvollzugsanstalt, und es gibt dort natürlich auch einen Fußball-Verein, den SV Bruchsal 62. Da lag es nahe, dass der 1962 gegründete Verein den von der DFB-Stiftung Sepp Herberger forcierten Gedanken der Resozialisierung von Strafgefangenen konkret aufgegriffen hat.
Turniere in der JVA, an denen der SV Bruchsal teilnahm, gab es schon seit vielen Jahren, Unterstützung mit Material und Spielgerät auch. Aber 2010 kam ein neuer Gedanke dazu: Wie wäre es, wenn Strafgefangene im offenen Vollzug beim SV Bruchsal 62 mitspielen dürften? Gedacht, getan: 2010 wurde der erste Freigänger gefunden, der an zwei Abenden in der Woche beim Verein mittrainieren durfte.
Rüdiger Hochscheidt, der 1. Vorsitzende, erinnert sich: „Natürlich waren nicht alle Mitglieder vorurteilsfrei. Am Stammtisch und auf dem Sportgelände gab es manche Diskussionen. Ein wichtiger Punkt für den Erfolg war konsequentes Handeln. Wenn einer der Freigänger seine Privilegien ausnutzte oder nicht das korrekte Verhalten an den Tag legte, haben wir in Abstimmung mit Wolfgang Stöhr, dem Leiter der offenen Abteilung in der JVA Bruchsal, eine vernünftige Maßnahme festgelegt. Das konsequente Handeln war sehr wichtig für die Akzeptanz im Verein.“
Die Akten sind beeindruckend. Keiner der Strafgefangenen, die im Verein gespielt haben, ist rückfällig geworden. Einer spielt in der 1. Mannschaft und pflegt die Homepage des Vereins. Einige sind in Bruchsal und beim Verein geblieben und so dem Rückfall ins „Milieu“ entgangen. Auch ist ein Ex-Strafgefangener inzwischen Jugendtrainer geworden, ohne dass die Eltern Einwände dagegen erhoben hätten.
Diese Erfolge haben den SV Bruchsal 62 dazu veranlasst, im letzten Jahr eine Kooperation mit der Jugend-Vollzugsanstalt Adelsheim einzugehen. Dort sitzt ein Jugendlicher aus der Nähe des Vereinsgeländes des SV Bruchsal ein, und Direktor Rainer Goderbauer – überzeugt von dem Konzept des SV Bruchsal 62 – erlaubt, dass der Jugendliche zu jedem Spiel abgeholt werden darf. Die circa 100 Kilometer Fahrstrecke werden kosten- und zeitmäßig vom Verein übernommen.
Der Sonntag ist für den Jugendlichen zum Highlight geworden, und deshalb tut er alles, um diesen „Feiertag“ nicht zu gefährden. Aus wenigen Tropfen wird ein Strom. Deshalb hat der SV Bruchsal 62 in der Kategorie „Resozialisierung“ die Sepp Herberger-Urkunde mehr als verdient.
Der SV Bruchsal wurde im Bereich Resozialisierung mit dem 1. Preis ausgezeichnet: v.l.n.r. Hermann Korfmacher (Vorsitzendes des Kuratoriums der SHS), Wolfgang Stöhr (JVA Bruchsal), Rüdiger Hochscheidt (SV Bruchsal), DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann und Michael Herberger (beide Kuratoriumsmitglieder der SHS)
© Carsten Kobow