„Du Blinder! werde ich nicht mehr rufen“
09. Dezember 2011 Zurück zur Artikelübersicht »

Er war ein Kämpfer, einer der sich immer reinhängt, einer, den Fußballfans ehrfurchtsvoll „Kampfschwein“ nennen. Der „Betze“ brannte und Axel Roos rannte. Kein anderer Spieler des Vereins hat mehr Titel für den 1. FC Kaiserslautern gewonnen: Zweimal wurden die „Roten Teufel“ mit ihm Deutscher Meister (1991, 1998), zweimal DFB-Pokalsieger. Zwischen 1985 und 2001 bestritt er 328 Spiele für den 1. FC Kaiserslautern. DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth hat vor der Hallen-Trophy der BLINDENFUSSBALL-Bundesliga mit ihm gesprochen.

Am Samstag stellt sich der heute 47-Jährige Axel Roos einer neuen Herausforderung. In seiner Fußball-Arena in Kaiserslautern (SoccaFive-Arena, Am Warmfreibad 3, 67657 Kaiserslautern) veranstaltet er gemeinsam mit der DFB-Stiftung Sepp Herberger die erste Hallen-Trophy der BLINDENFUSSBALL-Bundesliga. Schon im Vorjahr hatte Roos im Schulterschluss mit der Stiftung ein Benefizturnier veranstaltet und für den an einer Nervenkrankheit leidenden ehemaligen FCK- Juniorenspieler Patrick Wirth 50.000 Euro erspielt.
Die erste Hallen-Trophy der BLINDENFUSSBALL-Bundesliga findet am Samstag unter Ihrer Regie in der SoccaFive-Arena in Kaiserslautern statt. Wie kam es dazu?
Wir haben hier in unserer Halle schon früher Turniere für behinderte Fußballer ausgerichtet, etwa unseren „Special Needs Cup“ für geistig behinderte Menschen. Als die BLINDENFUSSBALL-Bundesliga einen Spieltag in Mannheim veranstaltete, das war Mitte Mai, bin ich hingefahren und habe mir das mal angeschaut. Danach war ich überzeugt, dass wir eine Hallen-Trophy ausrichten sollten. Mit unseren sechs Plätzen, alle 30 auf 15 Meter, hier in der SoccaFive-Halle in Kaiserslautern bieten wir den sieben Mannschaften aus Dortmund, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Marburg, Stuttgart und Würzburg die besten Bedingungen für ein spektakuläres Turnier.
Wie war damals ihr erster Eindruck?
Ich war sofort fasziniert und begeistert. Ich sage ganz ehrlich, vorher konnte ich mir das überhaupt nicht vorstellen. Jeder muss nur die Augen schließen und versuchen, sich zehn Minuten in der gewohnten Umgebung zu bewegen. Umso faszinierender ist es dann, wenn blinde Menschen Fußball spielen.
Haben Sie schon mal selbst die Augenbinde aufgesetzt und versucht, Fußball zu spielen?
Nein (lacht), eine Augenbinde habe ich mir bis heute nur im Flugzeug aufgesetzt.
Die Beschimpfung „Du Blinder“ hat fast jeder Fußballer ertragen müssen. Sie auch?
Unser Meistertrainer Otto Rehhagel hat immer darauf bestanden, dass alles was auf dem Platz oder auf der Trainerbank gesagt wird, nur dahin gehört. Fußball löst Emotionen aus. Jetzt, da ich weiß, zu welchen Leistungen blinde Menschen am Ball fähig sind, werde ich jedenfalls nicht mehr ‚Du Blinder’ rufen.
Die erste Blindenfußball-Hallentrophy beginnt am Samstag um 10 Uhr, die Siegerehrung mit Ihnen und Horst Eckel ist für 17 Uhr angesetzt. Was sollten interessierte Zuschauer noch wissen, die vielleicht zum ersten Mal ein Blindenturnier erleben wollen?
Während der Ball rollt, muss es still sein, man sollte keine Stimmung machen. Blinde spielen nur nach Gehör, die Rasseln im Ball ermöglichen das kontrollierte Passen und Schießen. Sogenannte Guides unterstützen die Spieler mit Zurufen von der Seitenlinie. Ich wäre froh, wenn viele Fußballfans in die Halle kämen, um dieses besondere Sportevent einmal selbst zu erleben. Es ist eine offene Veranstaltung. Das Geschick und die Courage der Spieler, sicher ganz besonders auch der Jungs vom dreifachen Deutschen Meister MTV Stuttgart, sind wirklich sensationell.
Klingt da Bewunderung an?
Am Anfang ging es mir so, dass ich Mitgefühl empfand. Ich dachte, da geht es Leuten wirklich dreckig, aber sie machen das Beste daraus. Dadurch relativieren sich auch die Probleme, mit denen sich jeder tagtäglich herumschlägt. Inzwischen habe ich mit einigen Spielern und Trainern geredet, das hat auch meine Einstellung verändert. Für blinde Menschen ist schließlich ihr Zustand die Normalität. Einige wurden blind geboren, viele leben seit Jahrzehnten in der Dunkelheit. Wir müssen alle mit unseren Stärken und Schwächen klar kommen. Ich merke jedenfalls, dass ich auch aus dieser Erfahrung etwas gelernt habe
.