Otto Rehhagel: “Ein Mensch mit Herzensbildung”
15. September 2011 Zurück zur Artikelübersicht »

Otto Rehhagel macht da keinen großen Unterschied. Ob Bayern München oder Griechenland, Europapokal oder die Deutsche Meisterschaft der Werkstätten für behinderte Menschen. Fußball ist Fußball. Und die Wahrheit liegt immer noch auf dem Platz. Im DFB.de-Interview mit Thomas Hackbarth spricht der 73 Jahre alte Rehhagel über sein Engagement für den Behindertenfußball und erinnert an Sepp Herberger.

Weil Fußballspiele über leidenschaftlichen Einsatz entschieden werden, fühlt sich „König Otto“ bei der Eröffnung der Deutschen Meisterschaft der Werkstätten für behinderte Menschen richtig wohl. Zur Eröffnungsfeier im VIP-Raum des Duisburger Stadions sagt der Mann, der die meisten Bundesligaspiele als Trainer (820) bestritten hat: „Ich komme gerne, auch weil ich schon im vergangenen Jahr die unglaubliche Begeisterung der Mannschaften erlebt habe.“
Als Mitglied des Kuratoriums der DFB-Stiftung Sepp Herberger bin ich wieder dabei, wie schon im Vorjahr. Die Sepp-Herberger-Stiftung unterstützt verschiedene soziale Projekte, und natürlich sind wir bekannten Sportler und Trainer, nun ja, ich will nicht sagen verpflichtet, aber aufgerufen, uns einzubringen. Ich mache das gerade bei diesem Turnier gerne, auch weil ich schon im vergangenen Jahr die unglaubliche Begeisterung der Mannschaften erlebt habe. In meinem Leben habe ich zu 95 Prozent Glück gehabt, deshalb nutze ich heute jede Gelegenheit, um etwas an die Gemeinschaft zurückzugeben.
Sie haben Sepp Herberger selbst gekannt. Vor 50 Jahren, im Frühjahr 1961, hatte Sie der damalige Bundestrainer zu einem Lehrgang eingeladen. Der fand genau hier in Duisburg-Wedau statt.
Als 17-Jähriger wurde ich in die Auswahlmannschaft berufen, im Sommer 1961 lud mich Dettmar Cramer dann zu einer Japan-Reise der West-Auswahl ein. Hier in Duisburg haben wir mit der Amateur-Nationalmannschaft gegen das damalige A-Team gespielt, auch unter den Augen von Herberger. Der sprach mich kurz mal an: „Junge, wie alt bist du denn?“ 19 Jahre war ich damals. Näher kennengelernt habe ich ihn dann erst in meiner Zeit als Spieler beim 1. FC Kaiserslautern.
Ein außergewöhnlicher Mensch mit Herzensbildung, der sich unglaublich um seine Spieler gekümmert hat. Auch während der Kriegszeit, als seine Nationalspieler, etwa auch Fritz Walter, als Soldaten eingezogen waren, hielt er den Kontakt. Diese soziale Einstellung hat er Zeit seines Lebens beibehalten. Wir alle, die ihn persönlich kennengelernt haben, verehren Sepp Herberger bis heute sehr.
Am Wochenende muss ich ein Spiel live sehen, das ist klar. Ich wohne in Essen, da habe ich kurze Anfahrtswege. Mit dem Auto kann man aus Essen kulturell wie sportlich alles erreichen. Mönchengladbach, Köln, Dortmund, Schalke – alles liegt doch vor meiner Haustür. Zu den Heimspielen von Rot-Weiß Essen gehe ich natürlich auch. Ich liebe alle Vereine im Ruhrgebiet.
Natürlich, wenn man so lange dabei ist wie ich. Ich habe Fußball-Blut in den Adern. Wenn sich noch mal eine Gelegenheit ergibt, würde ich mir das jedenfalls sehr genau überlegen.
Wir haben gegen Österreich sehr gut gespielt, aber die großen Mannschaften, das sind Argentinien, Brasilien, Spanien, Italien, England und Holland. Die Wahrheit, wie stark unsere Mannschaft wirklich ist, werden wir erst im nächsten Jahr bei der Europameisterschaft erfahren. Heute schon steht fest: Wir haben sehr viel mehr hochtalentierte Spieler als in der Vergangenheit.
DFB.de: Oberrad, der Deutsche Meister der Behindertenwerkstätten, überlegt, möglichst bald im regulären Spielbetrieb anzutreten. Wie stehen Sie dazu?
Rehhagel: Wenn das geht, warum denn nicht? Aber das können die Begleiter und Betreuer der behinderten Fußballer viel besser beurteilen.