Zum Fußball spielen ins Gefängnis
30. August 2011 Zurück zur Artikelübersicht »

Mit einem besonderen Modellprojekt im sozialen Bereich setzt der Hessische Fußball-Verband (HFV) die Reihe seiner innovativen Aktionen fort. Im Gebiet des viertgrößten DFB-Landesverbandes spielt seit kurzem ein Verein aus einer Haftanstalt im regulären Spielbetrieb mit. HFV-Pressesprecherin Anne Lange über ein gelungenes Integrationsprojekt.

 Der HFV übernimmt besondere gesellschaftspolitische Verantwortung und ist einmal mehr Vorreiter in der Umsetzung außergewöhnlicher Ideen. Am vierten Spieltag der D-Klasse Darmstadt war HFV-Präsident Rolf Hocke mit weiteren hochkarätigen Vertretern aus Sport und Politik beim Spiel des SV Kiefer aus der Justizvollzugsanstalt Darmstadt-Eberstadt gegen Tabellenführer SG Malchen 1968 zu Gast.
Zusammen mit Weltmeister Horst Eckel aus der legendären 1954er-Mannschaft sowie dem Hessischen Minister der Justiz, für Integration und Europa, Jörg-Uwe Hahn, übergab er dem SV Kiefer einen Satz Trikots und Bälle. Ein weiterer Ball ging als Dank fürs „Mitziehen“ stellvertretend für alle D-Klassenvereine an die Gäste aus Malchen. Zur Verfügung gestellt wurde die Ausrüstung von der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes. Die älteste deutsche Fußballstiftung engagiert sich bereits seit ihrer Gründung im Jahre 1977 für den Fußballsport in Haftanstalten.
Unter den prominenten Zuschauern befanden sich auch Landtagsabgeordnete Heike Hofmann, Torsten Becker, HFV-Vizepräsident für Recht und Satzung,  Verbandsfußballwart Armin Keller, Darmstadts Kreisfußballwart Michael Sobota mit Pressewart Heinz Werner Krautwurst sowie Jürgen Tolksdorf von der Sportjugend Hessen.
Wichtiges Modellprojekt
„Ich bin sehr stolz, dass ich heute hier sein darf. Wir versuchen hier in einem bundesweiten Modellprojekt, unsere integrativen und sozialen Aufgaben auch in der Resozialisierung umzusetzen“, sagte der HFV-Chef, der auch dem Kuratorium der ältesten deutschen Fußballstiftung angehört.
Justizminister Jörg-Uwe Hahn dankte allen Beteiligten für ihr Engagement: „Fußball hinter Gittern ist eine besondere und sehr wichtige Form der Therapie. Wer mittrainiert und mitspielt, gliedert sich in die Mannschaft ein. Er ist Teil der Gemeinschaft, die sich ein Ziel gesetzt hat“. Dabei gelten Regeln, die auch in Freiheit gebraucht würden. Daher helfe Sport, im Leben klar zu kommen. Ebenso  äußerte sich der stellvertretende Leiter der JVA Darmstadt-Eberstadt, Siegfried Britze.
Weltmeister Horst Eckel, Botschafter der Sepp-Herberger-Stiftung, sieht in diesem Bereich „eine sehr große Perspektive“. Seit rund 20 Jahren ist der Kaiserslauterer regelmäßig in Strafanstalten zu Gast und hat große Veränderungen festgestellt: „Sport im Gefängnis war seinerzeit kaum vorhanden“.
Vereinsvorsitzender Gerhard Wydra sagte schlicht: „Danke für die Unterstützung auch ungewöhnlicher Ideen“. Das galt nicht nur den offiziellen Stellen, sondern auch den D-Klassen-Vereinen: „Es ist nicht einfach, für ein Fußballspiel ins Gefängnis zu gehen“.
In die Wege geleitet hat das Projekt mit Beharrlichkeit und Überzeugungsarbeit der Kreisfußballausschuss Darmstadt unter Vorsitz von Michael Sobota.
Anpassung der Spielordnung notwendig
Die Teilnahme des SV Kiefer an den Ligaspielen erforderte Extras in der Spielordnung. So hat der SV Kiefer in den Hin- und Rückspielen aus naheliegenden Gründen stets Heimrecht, die Spielzeiten orientieren sich an den Erfordernissen der JVA, und der Verein darf nicht aufsteigen. Auch Vereinswechsel von Spielern während ihrer Haftzeit sind nicht möglich. Dafür können sie sich nach ihrer Entlassung sofort und ohne Ablöse einem anderen Verein anschließen.
Zum Sportlichen: Malchen, als Klassenprimus angereist, erlebte auf dem Sportplatz Marienburgstraße eine unliebsame Überraschung. Gastgeber SV Kiefer gewann 2:0 und glich sein Punktekonto nach einem etwas holprigen Start auf 6:6 aus.